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DGPFG-Rundbrief
2/2016 Nr. 52

Dezember 2016

Liebe Mitglieder der DGPFG,

haben Sie nicht auch das Gefühl, dass auf unserer Seele herumgeTRUMPelt wird?

Dass ein Populist einen faktenlosen Wahlkampf gewinnt, sollte uns mehr als nachdenklich stimmen. Die von der Globalisierung vorgegaukelte, aber selten mögliche „Verfügbarkeit“ eines sorgenfreien Lebens erzeugt Gier, Kränkung und am Ende ein Gefühl von Bedeutungslosigkeit. Dies ist der Nährboden für fast alle Zeitphänomene wie auch den Erfolg des Populismus.

Was können wir Psychosomatiker tun?

Der bekannte Freiburger Ethiker Giovanni Maio schreibt in seinem Buch, Medizin ohne Maß: „Das Glück liegt nicht in unserer Hand, sondern in unserer Einstellung.“ …und damit können wir insbesondere mit unseren Patientinnen immer wieder arbeiten. Die biopsychosozial begleitete Elternschaft ist kein Garant aber Voraussetzung für eine Entwicklung zum selbstbewussten, kohärenten Menschen, der weniger Anfälligkeit zeigt für Extremismus, welcher Art auch immer.

Aber auch die ganz allgemeine psychosomatische Begleitung von Frauen in Ihren Lebensübergängen von der Menarche bis zur Menopause und in ihren Krisenzeiten, sei es aus biologischen, psychischen oder sozialen Gründen, hat aus meiner Sicht protektive Effekte.

Indem wir eine ehrliche und ganzheitliche Medizin anbieten, welche sich nicht dem Diktat von Ökonomie und Organisation unterordnet, leisten wir viel für den „Seelenfrieden“ – auch den unseren.

In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie nach Lektüre unseres Rundbriefes auch zu dem Schluss kommen, dass wir in der DGPFG und im Verbund mit den kooperierenden Verbänden gute Arbeit leisten. Vorstand und Beirat sind fleißig und haben viel geschafft. Wir sind auf gutem Weg – sind zunehmend bedeutsam, versuchen klug und evident zu entscheiden und öffnen unsere Grenzen, und damit stehen wir auch politisch auf der aus meiner Sicht richtigen Seite. Ich hoffe, viele von Ihnen sehen das auch so.

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich und in freudiger Erwartung auf ein Wiedersehen in Dresden

Dr. Wolf Lütje
Präsident der DGPFG

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Inhaltsverzeichnis

Seite 3
Einladung zur Mitgliederversammlung


Seite 4
Klausurtagung im September 2016


Seite 5
Gewalt gegen Frauen


Seite 6
Die neue Homepage


Seite 7
DGPFG-Kongress 2017


Seite 8
Nationales Zentrum Frühe Hilfen


Seite 9
Kooperationen – Informationen und Stand der Dinge


Seite 10
Das Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland BKiD


Seite 10
Perspektiven der psychosozialen Kinderwunschberatung in Deutschland – Tagung in Hamburg


Seite 11
Initiative Klug entscheiden


Seite 12
Kongressberichte


Seite 12
61. Kongress der DGGG 2016


Seite 13
DGPFG-Sitzung zu Migrationsthemen auf der DGGG-Tagung 2016


Seite 14
23. Jahrestagung des AKF


Seite 15
Fachtag „Gelingende Geburtshilfe“


Seite 16
Studie: Deutschland hat weniger Sex


Seite 17
Buchtipps


Seite 17
Vertrauen in die natürliche Geburt


Seite 17
Schönheitsmedizin


Seite 18
Impressum

Artikel des Monats März 2019

Artikel des Monats März 2019

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

N. Aldardeir u. U. Peschers.

Das Beckenschmerzsyndrom – Diagnose und Therapie. Gynäkologe. Gynäkologe 2019;  52:212–216

 

Der Umgang mit Schmerzsyndromen, vor allem mit dem chronischen Unterbauchschmerz, ist unverändert eine Herausforderung in der gynäkologischen Praxis. Die Bedürfnisse der betroffenen Frauen stellen besondere Anforderungen an das Zeitmanagement und „die ärztliche Kunst“. Aktuelle Übersichtsarbeiten zu Ursachenkonzepten und Therapiemöglichkeiten für Patientinnen mit chronischen Unterbauch- bzw. Beckenschmerzen sind daher wichtig. Die beiden Autoren der Arbeit „Das Beckenschmerzsyndrom – Diagnose und Therapie“ beschreiben einleitend das Dilemma so: „…Beckenschmerzen („chronic pelvic pain syndrome“, CPPS) sind weit verbreitet, für einen Teil der Patientinnen haben sie schwerwiegende Folgen. Oft haben sie eine Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich, ohne dass sie eine relevante Besserung erfahren haben. Häufig wurde die Patientin mehrfach zystoskopiert, laparoskopiert und antibiotisch behandelt…“. Die Autoren geben für sog. nichtzyklische Beckenschmerzen eine Häufigkeit mit einer breiten Streuung von bei 2,1–43%! Sie schreiben weiter: „…Bei einemTeil der Patientinnen mit CPPS“, so schreiben sie, „… lässt sich eine klinische Ursache für die Schmerzen finden…“. In einer Tabelle werden sechs mögliche Ursachen bzw. Ursachengruppen für Beckenschmerzen, nämlich Endometriose, Geburten, onkologische Behandlung bei Tumoren im kleinen Becken, nichtonkologische Chirurgie im kleinen Becken, Blasen-/ Urethraschmerzsyndrom und Vulvodynie aufgeführt; auf einige davon wird näher eingegangen. Im Hinblick auf die notwendige Diagnostik bei den betroffenen Patientinnen betonen die Autoren die Bedeutung einer ausführlichen Anamneseerhebung. Nicht eingegangen wird auch hier auf mögliche Schutz- und Risikofaktoren, die mögliche Rolle von Konflikten, Krisen und Tabus als Schmerzursache, also auf die Möglichkeit einer psychosomatischen Ursache für die Beschwerden. Auch fehlt ein Hinweis auf die enge Verbindung zu sexualmedizinischen Fragestellung bzw. letztlich auch die Auswirkungen des CPPS auf die Sexualität und vice versa. Es irritiert, dass im Abschnitt über die therapeutischen Optionen wie auch unter den fünf Punkten des „Fazits für die Praxis“ keinerlei Hinweis auf psychotherapeutischen Interventionen zu finden ist. Alles in allem also ein Artikel, der einen angesichts des Forschungsstandes, vorhandener Leitlinien und der jahrzehntelangen Verankerung des psychosomatischen Denkens in unserem Fach etwas erstaunt zurücklässt.

(M. David)

Prof. Dr. med. Matthias David

Artikel des Monats Februar 2019

Artikel des Monats Februar 2019

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

van Driel C, de Bock GH, Schroevers MJ, Mourits MJ

Mindfulness-based stress reduction for menopausal symptoms after risk-reducing salpingo-oophorectomy (PURSUE study): a randomised controlled trial.

BJOG. 2019 Feb;126(3):402-411

In dem Artikel werden die Kurz- und der Langzeiteffekte eines MBSR (Mindfulness-based stress reduction)-Trainings auf die Lebensqualität (QoL), sexuelle Funktion und sexueller Distress nach einer risikoreduzierenden Salpingo-Oophorektomie bei BRCA 1 / 2-Trägerinnen evaluiert.

Methodisch handelt es sich um eine randomisiert-kontrollierte Studie, an der 66 BRCA 1 / 2-Mutationsträgerinnen teilgenommen haben.

Die Teilnehmerinnen des Interventionsarm komplettierten ein 8-wöchiges MBSR-Training, während die Teilnehmerinnen der Kontrollgruppe die übliche Versorgung erhielten (CAU). CAU bestand aus einem Beratungsgespräch mit einer spezialisierten Krankenschwester zum Umgang mit menopausalen Symptomen.

Ein Teil der betroffenen Frauen erhielt eine Hormontherapie (HT), der Anteil war in beiden Gruppen mit ca. 29%, gleich hoch. Bei einer stattfindenden HT ist schon von einer geringeren Symptomlast der klimakterischen Beschwerden auszugehen, trotzdem klagen Frauen nach operativ eingeleiteter Menopause in der Regel über ausgeprägtere Symptome als Frauen mit natürlicher Menopause. 26% der Teilnehmerinnen hatten eine Mammakarzinomerkrankung in der Vorgeschichte. Bei etwa der Hälfte der Frauen hatte auch eine bilaterale, risikoreduzierende Mastektomie stattgefunden, die in dem Artikel nicht als Einflussfaktor auf die Sexualität diskutiert wird.

Tatsächlich fand sich in dieser randomisierten Studie in der Interventionsgruppe eine Verbesserung der Lebensqualität im Follow-up nach 3, 6 und 12 Monaten. Die sexuelle Funktion und der sexuelle Distress blieben dagegen unbeeinflusst.

Aus meiner Sicht handelt es sich um eine interessante Arbeit, die versucht, sich der schwierigen Thematik der Folgen von risikoreduzierenden Operationen anzunähern. Sicherlich handelt es sich um eine Gruppe von betroffenen Frauen, die aus wissenschaftlicher Sicht bislang zu wenig bedacht wurde und deren Zahl sicherlich in Zukunft, mit Zunahme der Anzahl an genetischen Testungen und nachfolgenden risikoreduzierenden Operationen, weiter zunehmen wird.

Friederike Siedentopf, Februar 2019

PD. Dr. med. Friederike Siedentopf

Artikel eines Beiratsmitgliedes Januar 2019

Artikel eines Beiratsmitgliedes – Januar 2019

Einfluss fertilitätsprotektiver Maßnahmen auf die Psyche junger Krebspatientinnen

Gekürzte Version des Artikels (erschienen 08/2018 in „ONKOLOGIE heute“, Mediengruppe Oberfranken Fachverlage GmbH & Co. KG)

A.Doster 1, S.Ditz, A.Germeyer
1 Universitätsfrauenklinik Heidelberg, Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen, Im Neuenheimer Feld 410, 69120 Heidelberg

Beinahe 10% der neu diagnostizierten Krebserkrankungen pro Jahr betreffen Frauen im reproduktiven Alter (1). Mit den stetig sich verbessernden Behandlungsoptionen und damit steigenden Überlebensraten, konfrontiert die Diagnose “Krebs” die junge Patientin auch mit den Auswirkungen der Therapie auf die physische und psychische Lebensqualität nach erfolgreicher Behandlung. So sind fast 25% der Überlebenden einer Krebserkrankung Frauen im reproduktiven Alter mit Kinderwunsch (1). Beeinflusst von multiplen Faktoren wie Alter der Patientin, deren reproduktive Anamnese, der Art der Tumorerkrankung und des Therapieregimes stehen jedoch eine verringerte ovarielle Reserve, die vorzeitige Menopause als ein Resultat gonadotoxischer Therapien oder gar die chirurgische Entfernung der für die Reproduktion notwendigen Organe dem Kinderwunsch Wunsch.

Bedeutung des Fertilitätserhalts

Das soziale, emotionale und sexuelle Wohlbefinden der Patientin wird durch den Wunsch nach einem eigenen Kind maßgeblich beeinflusst. So beschreiben nach einer Studie von Reh et al 2011, mehr als die Hälfte der befragten Patientinnen “ein Kind zu bekommen” als “das Wichtigste” in ihrem Leben. Der Verlust der Fertilität ist für 62% der Befragten eine der größten, wenn nicht die größte Sorge bei der Krebsbehandlung (2). Im Sinne eines “double hit”- Szenarios (3) wird der potentielle Verlust der Fertilität als beinahe ebenso belastend, wenn nicht noch belastender als die Diagnose an sich beschrieben (4) und geht einher mit massivem emotionalem Leid, Ängsten und mäßig bis schwerer depressiver Symptomatik. Vor allem junge, kinderlose Frauen sind von Depressionen betroffen (5).

Dies hat auch Auswirkungen auf die Wahl und die Dauer der Therapie. So konnten Ruddy et al 2014 zeigen, dass 0,6% der befragten jungen Patientinnen mit Brustkrebs aufgrund der Beeinträchtigung der Fertilität durch die Therapie sich gegen eine Chemotherapie entschieden, 1,9% ein Therapieregime bevorzugten, das weniger Auswirkungen auf die Fertilität hatte und 15,5% die endokrine Therapie entweder komplett verweigerten oder deutlich abkürzten (6). Umgekehrt wird die Möglichkeit nach erfolgreicher Tumorbehandlung Kinder bekommen zu können, da zuvor fertilitätserhaltende Maßnahmen durchgeführt wurden, als positive Unterstützung im Behandlungsprozess erlebt (7, 8). So beschreiben nach einer Studie von Treves et al 2014 78% der befragten Patientinnen, die Maßnahmen der Fertilitätsprotektion als “Lebensversicherung” sowie als Chance mit der Krebsdiagnose besser zurecht zukommen (4).

Die Bedeutung des Fertilitätserhalts ist daher unumstritten und in verschiedenen Guidelines und Stellungsnahmen auf internationaler Ebene (9, 10) verankert. In der deutschen S2k-Leitlinie “Fertilitätserhalt bei onkologischen Erkrankungen” vom September 2017 heißt es dazu “Konzepte zum Erhalt der Fertilität und die Beratung darüber, müssen integraler Bestandteil onkologischer Behandlungen von Präpubertären oder Patienten/-innen im reproduktiven Alter sein. Dies vor dem Hintergrund, dass inzwischen gute, etablierte fertilitätsprotektive Techniken existieren..“ (11).

Inanspruchnahme der Beratung

Gemessen an den erfolgsversprechenden Methoden der Fertiptotektion und den Empfehlungen sowohl der onkologischen als auch der reproduktionsmedizinischen Fachgesellschaften, ist die Anzahl der Frauen, die hinsichtlich fertilitätsprotektiver Methoden beraten werden, klein. So zeigt beispielsweise eine Studie von 2013 aus Deutschland dass nur 60% der Patientinnen Fertilität mit Ihren Onkologen thematisieren (12). Die Anzahl der zu einem auf den Fertilitätserhalt spezialisierten Zentrum überwiesenen Patientinnen ist mit 20-47% noch etwas niedriger (12, 13).

Dabei scheint gerade diese Beratung und der Weg der Entscheidungsfindung maßgeblich zur späteren Zufriedenheit und Lebensqualität beizutragen.

Einflussfaktoren der Entscheidungsfindung

Viele psychosoziale Faktoren beeinflussen die Entscheidungsfindung hinsichtlich einer fertilitätserhaltenden Therapie. Die Patientinnen befinden sich in einer Ausnahmesituation, sind mit den ersten Coping-Strategien Ihrer Tumor-Diagnose beschäftigt (14). Sie machen sich Sorgen hinsichtlich Mortalität, Rezidivrate, gegebenenfalls Ergebnissen weiterführender Untersuchungen, beispielsweise genetischer Testung, dem Einfluss der onkologischen Therapie auf ihr Körperbild, zukünftige Sexualität, Partnerschaft (15). Ein Drittel der jungen Patientinnen leidet unter erheblichen Ängsten oder depressiver Symptomatik, 14% nehmen Antidepressiva (6, 16, 17). Die nun folgende Auseinandersetzung mit dem potentiellen Verlust ihrer Fertilität wird nicht selten als “double hit” erlebt (3). Faktoren, wie Zeitdruck bezüglich der Entscheidungsfindung sowie hinsichtlich des gegebenenfalls verzögerten Beginns der onkologischen Therapie und die nicht unerheblichen Kosten, die bisher meist von den Patientinnen selbst getragen werden müssen, können diese Angst- und Depressionssymptomatik zudem noch aggravieren (14, 18, 19). Weitere Einflussfaktoren wie ethische oder religiöse Bedenken der Patientinnen die Kryokonservierung von Eizellen oder zukünftigem Verwerfen von Embryonen betreffend, seien der Vollständigkeit halber erwähnt (14).

Die Bedeutung der interdisziplinären Beratung

In dieser komplexen psychosozialen Situation ist eine ausführliche Beratung, das Aufzeigen von Therapiekonsequenzen aus onkologischer Sicht, sowie das Aufzeigen individueller reproduktionsmedizinischer Möglichkeiten die notwendige Voraussetzung zur suffizienten Entscheidungsfindung. Nach Brehaut et al zeichnet sich eine “high quality” Entscheidung durch suffiziente Information der Patientin aus, mit genügend Respekt und Raum für deren individuellen Einstellungen und Erfahrungen (20). Das Resultat einer „low quality“ Entscheidung: das “Bereuen”, “Bedauern” der Entscheidung hinsichtlich fertiprotektiver Maßnahmen gilt als einer der Schlüsselfaktoren für die Lebensqualität der jungen Patientin nach erfolgreicher Tumortherapie (21). Die Wichtigkeit der ausführlichen und individuellen Beratung mündlich und schriftlich ist daher unumstritten. So konnten Letourneau et al 2012 zeigen, dass die Frauen, die sowohl durch einen Onkologen als auch einen Reproduktionsmediziner beraten wurden, ihre Entscheidung hinsichtlich fertilitätserhaltender Maßnahmen, nach erfolgter onkologischer Therapie weniger in Frage stellten. Ebenso zeigten diese Frauen eine höhere Zufriedenheit mit ihrem Leben (22). Auch nach Benedict et al reduzierte eine Beratung mit einem Reproduktionsmediziner das Bereuen der getroffenen Entscheidung (23). In beiden Studien waren die Patientinnen, die sich einer fertilitätserhaltenden Therapie unterzogen hatten, am zufriedensten und hatten eine höhere Lebensqualität (8, 22).

Neueste Studien unterstreichen erneut den Faktor “Qualität” dieser Entscheidungsfindung. So scheinen Patientinnen, die sich gegen eine fertilitätserhaltende Therapie entschieden, weniger Zeit und mehr Druck ausgegesetzt gewesen zu sein, sodass keine qualitativ hochwertige Entscheidung getroffen werden konnte (24, 25). Nach Melo et al 2018, sollten gerade Patientinnen, die sich gegen fertilitätsprotektive Maßnahmen entscheiden, die Chance einer Entscheiungsfindung gegeben werden, die ohne Druck erfolgt und genug Raum und Zeit für die Möglichkeit der Diskussion, Reflexion eigener Werte und Einstellungen bietet (25). Dass dies im klinischen Alltag nicht in allen Situationen zu bewerkstelligen ist, versteht sich von selbst. Dennoch sollte im Hinblick auf die zukünftige Lebensqualität der Patientinnen ein enger Austausch zwischen Onkologie und Reproduktionsmedizin erfolgen, mit dem frühzeitigen Vorstellen im reproduktionsmedizinischen Zentrum. Ebenso könnte das zusätzliche Einbinden von Psychologen den Prozess des Copings mit der Diagnose und der Entscheidungsfindung hinsichtlich fertilitätsprotektiver Maßnahmen positiv unterstützen (15, 25). So könnten sowohl die fertilitätsprotektiven Maßnahmen an sich als auch schon der Prozess der Entscheidungsfindung vielleicht öfter, wie in einer Studie von Garvelink beschrieben, den Patientinnen “Hoffnung”, “einen Grund zu leben” und ein “gutes Gefühl” vermitteln und damit auch den Coping- und onkologischen Therapieprozess positiv begleiten und unterstützen (4, 8, 26).

Ein ausführliches Literaturverzeichnis kann bei A.Doster erfragt werden.

Dr. med. Anne Doster
Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe
Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen
Universitätsfrauenklinik Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 410, 69120 Heidelberg
Anne.Doster@med.uni-heidelberg.de 

Zu den Kontaktdaten

Dr. med. Anne Doster, Heidelberg

Artikel des Monats Januar 2019

Artikel des Monats Januar 2019

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

Rahel Klatte.

Psychotherapie: Wirksam oder nicht? Psychother Psych Med 2019; 69: 5

Annika Simon.

Psychotherapieforschung: Wie wichtig ist die Einsicht für den Behandlungserfolg? Psychother Psych Med 2019; 69: 6

 

Klatte und A. Simon befassen sich in ihren jeweils kurzen Artikeln mit der allgemeinen Wirksamkeit von Psychotherapie bzw. diese beeinflussenden Kriterien. Beide fassen 2018 erschienene Übersichtsarbeiten zusammen, um daraus ein Fazit zu ziehen. Klatte beschäftigt sich mit widersprüchlichen Aussagen zur Wirksamkeit der Psychotherapie, die auf der Basis einer Metaanalyse von Cuijpers et al. bzw. Munder et al. 2018 publiziert wurden und auf den gleichen Daten beruhten. Während Cuijpers et al. aus ihrer Datenanalyse schlussfolgerten, dass es keine ausreichende Evidenz für die Wirksamkeit von Psychotherapie gebe, kommen Munder et al. zu einem anderen Ergebnis. Sie hinterfragen einige methodische Entscheidungen im Prozess der Metaanalyse von Cuijpers er al. und kritisieren unter anderem die Wahl der Kontrollgruppen sowie die Definition von Psychotherapie. Interessant ist aber vor allem der „Vorwurf“, der darauf zielt, dass Cuijpers et al. festgestellt hatten, dass Effekte von Psychotherapie in nicht-westlichen Studien größer sind und diese daher aus ihrer Analyse ausschlossen. Munder et al. kritisieren nun, dass keine transparente Definition der Einteilung in westliche versus nicht-westliche Studien dargelegt wurde und zeigen, dass die Unterschiede vor allen Dingen auf sog. Ausreißer zurückzuführen sind. Nach dem Ausschluss dieser „Ausreißern“, der Korrektur für Publikationsverzerrungen, der Beschränkung auf Psychotherapiestudien im engeren Sinne und der Begrenzung der eingeschlossenen Population auf Erwachsene mit diagnostizierter Depression für die Re-Analyse der Daten stellen Munder et al. fest, dass es einen eindeutigen Effekt von Psychotherapie verglichen mit „Wartelisten-Patienten“ gibt.

Simon beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Welche Mechanismen bestimmen den Erfolg einer Psychotherapie, wie kann man diese objektivieren, welche messbaren Effekte lassen sich feststellen? Sie befasst sich mit dem möglichen Einflussfaktor „Einsicht der Patientinnen und Patienten“. Hierzu fasst sie eine Übersichtsarbeit und Metaanalyse von Jennissen et al., die 2018 veröffentlicht wurde, zusammen. Deren Literaturrecherche identifizierte zunächst fast 14.000 Studien, von denen 22 die von der Autorengruppe festgelegten Einschlusskriterien erfüllten. Diese Studien umfassten insgesamt etwas über 1.100 Patientinnen und Patienten. Zur Objektivierung der „Einflussgröße Einsicht“ kam eine Reihe unterschiedlicher Messinstrumente zum Einsatz, ebenso für die Messung des Behandlungserfolgs. Am häufigsten wurden die Symptomschwere und deren Veränderung herangezogen. Die Heterogenität der Effektgrößen beim Vergleich zwischen den gefundenen Studien war sehr groß, was die Gruppe um Jennissen auf die Verwendung verschiedener Maße für die Patienteneinsicht zurückführte. Simon fasst zusammen: „Einsicht auf Seiten des Patienten weist einen bedeutenden Zusammenhang mit dem Behandlungserfolg einer Psychotherapie auf. [… ] Der Zusammenhang deutet jedoch darauf hin, dass ein Zugewinn an Verständnis für eigene maladaptive Beziehungsmuster Patienten dabei helfen könnte, ein Gefühl der Bewältigbarkeit und Ideen für neue Verhaltensmöglichkeiten zu entwickeln…“.

(M. David)

Prof. Dr. med. Matthias David

Neues Heft im Mabuse-Verlag mit Schwerpunkt Sexualität

Dr. med. Mabuse Nr. 237 (1/2019)

Schwerpunkt: Sexualität

Im aktuellen Heft des Mabuse-Verlages sind gleich drei Beiträge von Mitgliedern unserer Gesellschaft vertreten.

Im Schwerpunkt:

  • Von Lust bis Leiden. Begegnung mit Sexualität in Gynäkologie und Gynäkologischer Psychosomatik (Sophia Holthausen-Markou) • Auklärung heute. Sexualpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (Maren Langer) • Aktion „Roter Stöckelschuh“. Ein Willkommenssignal für Sexarbeiterinnen in der gynäkologischen Praxis (Claudia Schumann)Keine Lust?! Ursachen von Lustlosigkeit und Hilfe durch Sexualberatung (Ruth Gnirss-Bormet) • Homosexualität im Pflegeheim. Bedarfe lesbischer Frauen und schwuler Männer (Heiko Gerlach und Markus Schupp) • Immer ein Notfall. Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung (Silvia Lenz) • Sexualität. Bücher zum Weiterlesen

Außerdem:

  • Falsche Reparaturen. DIMDI streicht pflegerische Therapieeinheiten im OPS-Katalog 2019 (Dorothea Sauter) • Ein Recht auf gute Pflege. Paritätischer Pflegekongress 2018 (Franca Zimmermann) • Zu viele Bestnoten. Neues Bewertungssystem soll Realität in Pflegeheimen besser abbilden (Wolfgang Wagner) • Das gesundheitspolitische Lexikon: WHO Patient Safety Curriculum Guide (Michael Rosentreter) • Risiken deutlicher kommunizieren. Arzneimittelinformation zur „Pille“ erweitert (Gerd Glaeske) • Das Ziel verfehlt. Anmerkungen zur Ausbildungsreform der Pflegeberufe (Gerd Dielmann) • Die eigene Identität bewahren. Kleidung, Sexualität und Körperlichkeit in der Pflege (Christoph Müller und Thomas Holtbernd) • Transsexualität und Inklusion. Krankenkassen müssen auf die neue Behandlungsleitlinie reagieren (Oliver Tolmein) • Neue Wunderwaffe für Bewegungsmuffel? Möglichkeiten und Grenzen von Sport-Apps (Viviane Scherenberg und Katharina Liegmann) • Gesundheitsexperten von morgen: „Lea wird operiert“. Entwicklung einer Informationsbroschüre für Kinder (Sarah Plum) • Besser reich und gesund als arm und krank (Angelika Zegelin)

Bestellbar unter: https://kurzlink.de/Mabuse-237

 

 

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DGPFG-Rundbrief 2/2018 Nr. 56

DGPFG-Rundbrief
2/2018 Nr. 56

Dezember 2018

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ein DGPFG-Jahr wie jedes andere? Für mich sicher nicht. Die auch in Großstädten zunehmende Personalnot der Frauenkliniken hat mir persönlich viel abverlangt. Dem Vorstand, insbesondere Claudia Schumann, sei gedankt, dass Routine und Besonderes in unserer Arbeit dennoch ausreichend gewürdigt wurden.

Der Rundbrief bringt Sie auf den neuesten Stand. Wir blicken auf ein erfolgreiches Kongressjahr, anhaltende Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, zahlreiche, mitunter sogar nachhaltig gelebte, Kooperationen und intensive Leitlinienarbeit.

Bei Fort- und Weiterbildungen als auch Wissenschaft halten sich Gelungenes und Misslungenes die Waage und verlangen große Aufmerksamkeit. So wollen wir uns verstärkt um Nachwuchs bemühen, uns bei der Entwicklung eines Weiterbildungscurriculums für Sexualmedizin einbringen und auch bei der Ausbildung in psychosomatischer Grundversorgung wieder größeren Einfluss gewinnen.

In 2019 sehen wir uns hoffentlich alle in München auf unserer 48. Jahrestagung, ggf. auch auf dem ISPOG-Kongress in Den Haag, den wir mit ausrichten.

Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Sie die psychosoziale Sicht und Lebensweise umsetzen und anwenden können – für mich neben dem beruflichen Handwerk die Essenz für große Zufriedenheit und Freude.

So beSINNe ich mich eben täglich – nicht nur zur anstehenden Jahreszeit, für die ich Ihnen viele Momente des Innehaltens wünsche.

Ihr

Dr. Wolf Lütje
Präsident der DGPFG

Slide Aktuellen Rundbrief downloaden

Inhalt

  • Einladung zur Mitgliedervesammlung2019
  • Beratung von Vorstand und Beirat
  • Änderung der Beitragsordnung
  • Vorschau DGPFG-Kongress 2020
  • Die DGPFG bezieht Stellung
  • Kurse Sexualmedizinische Grundversorgung
  • Interdisziplinäres Forum der DGPFG
  • Projekt vorgestellt
  • Neues aus der BZgA
  • AKF: Gegen den §219
  • Informiert verhüten
  • Jahrestagung der Gynäkologinnen im AKF
  • Kooperation von Hebammen und FrauenärztInnen in der Mutterschaftsvorsorge
  • AG GUP: Verordnungshilfe für Ärzte
  • VPK: Zusatzweiterbildung (ZWB) Psychotherapie und Psychoanalyse
  • DSTIG: Förderung der sexuellen Gesundheit
  • DHV: Schwerpunkte des DHV 2019

Artikel des Monats Dezember 2018

Artikel des Monats Dezember 2018

vorgestellt von Prof. Dr. med. Matthias David

Peer Briken, Silja Matthiessen.

Sex-Survey-Forschung in Deutschland.

Zeitschrift für Sexualforschung 2018, 31: 215 – 217

Bei jeder gynäkologischen Konsultation in der Praxis und bei jedem stationären Aufenthalt in einer Frauenklinik werden ausgesprochen oder unausgesprochen Fragen der Sexualität der Patientin berührt. Daher soll hier auf erste Ergebnisse einer aktuellen Umfrage zur Sexualität eingegangen werden, die Daten zum sexuellen Verhalten von Männern und Frauen in Deutschland erhoben hat. In einem Schwerpunktheft der „Zeitschrift für Sexualforschung“ wird diese Pilotstudie ausführlich vorgestellt. In dem Editorial dieses Heftes betonen Briken und Matthiesen (2018), dass seit dem legendären Kinsey-Report in den späten 1950/frühen 1960er Jahren keine umfassenden und repräsentativen Daten zur Sexualität in Deutschland erfasst wurden. Anders als in vielen anderen Ländern Europas und der sonstigen westlichen Welt liegen Indikatoren zur „sexuellen Gesundheit“ für Deutschland nicht vor, wie die Autoren betonen. Sie erwähnen auch nochmals die (umfassende und besondere) Definition der WHO für „Sexuelle Gesundheit“, die demnach als „…untrennbar mit Gesundheit insgesamt, mit Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden…“ und als „…Zustand des körperlichen, emotionalen, mentalen und sozialen Wohlbefindens in Bezug auf die Sexualität und nicht nur das Fehlen von Krankheit, Funktionsstörungen oder Gebrechen…“ verstanden wird.

Die „Pilotstudie zur Sexualität Erwachsener in Deutschland“ wurde vom „Hamburger Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie“ durchgeführt und sollte zwei Fragen beantworten: (1.) Ist eine detaillierte Befragung zur Sexualität, den sexuellen Verhaltensweisen und Praktiken, Einstellungen und Beziehungen der Deutschen im Alter von 18 bis 75 Jahren überhaupt machbar? (2.) Welches ist das bessere Erhebungsinstrument dafür:  Face-to-face-Interviews oder postalisch versandte Fragebögen (Methodenvergleich in Vorbereitung der Hauptstudie)?

Die Autoren des Editorials betonen, dass es kleinere Untersuchungen zur Sexualität in Deutschland natürlich auch in den letzten Jahrzehnten gegeben habe. Hierzu wären u.a. die empirischen Untersuchungen zur „Studenten-Sexualität“ von Giese und Schmidt, publiziert 1968, und spätere Untersuchungen von Schmidt und Sigusch zur „Arbeiter-Sexualität“ (1971) und weitere, in der Tradition des „Hamburger Instituts für Sexualforschung“ durchgeführte Studien zu erwähnen sowie Untersuchungen der „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“.

Vergessen oder ausgeblendet werden hingegen die Untersuchungen zur Sexualität in der DDR, die im Editorial erwähnte Forschungstraditionslinie bezieht sich offenbar ausschließlich auf „West-“Deutschland bzw. die ehemalige BRD vor 1989.

Die Pilotstudie kam zu ersten interessanten Ergebnissen. Die Kritik daran bezog sich vor allem auf die problematische Teilnahmequote der Pilotstudie – für die postversandten Fragebögen betrug sie 9 %, bei den Face-to-face-Interviews 18 %. Die Forscherinnen und Forscher mussten die Erfahrung machen, dass es sehr viel schwerer ist als noch vor einigen Jahren, Menschen zur Teilnahme an einer solchen Sexualitätsbefragung zu gewinnen. Aus der niedrigen Teilnahmequote ergibt sich natürlich eine deutliche Einschränkung der Aussagekraft dieser ersten Daten.

Geplant ist bei der seit dem Herbst 2018 laufenden Hauptstudie „Gesundheit und Sexualität in Deutschland“, etwa 5000 Frauen und Männer zu befragen. Obwohl, wie die Autoren schreiben, „die Menschen … angesichts der Vielzahl von Befragungen müde und wohl oftmals auch skeptisch in Fragen des Datenschutzes“ sind, werden Bevölkerungsdaten gebraucht, um valide Daten zu sexuellen Praktiken, Einstellung zur Sexualität, sexuellen Funktionsstörungen aber auch Wissen über sexuell übertragbare Infektionen, um daraus aus Schlussfolgerungen für die Prävention wie auch für die (gynäkologische) Praxis zu ziehen.

Man darf auf die dann wohl 2020 vorliegenden Daten gespannt sein.

 

(M. David)

Prof. Dr. med. Matthias David

Stellungnahme der DGPFG zur Einführung der Nichtinvasiven Pränataldiagnostik als Kassenleistung

DGPFG Logo

Stellungnahme

„WAS WOLLEN SIE VON IHREM KIND WISSEN?“

Dresden, November 2018.

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) aus Anlass der parlamentarischen Diskussion
über die Einführung der Nichtinvasiven Pränataldiagnostik (NIPD) als Kassenleistung

Die Übernahme der NIPD in die Mutterschaftsrichtlinien wird in der DGPFG kritisch diskutiert.
Nach Ansicht der DGPFG dient das Wissen, das durch die NIPD gewonnen wird, nicht oder nur bedingt dem Wohl des einzelnen Ungeborenen und dem Wohl der werdenden Mutter. Frauenärzten und Frauenärztinnen kommt bei der Beratung zu Pränataldiagnostik eine besondere Aufgabe zu: Sie sollen bei spürbar vorhandenem gesellschaftlichen Druck Frauen darin unterstützen, selbstbestimmt  Entscheidungen zu treffen. Das erscheint  kaum möglich. Es besteht ein Dilemma zwischen gesellschaftlicher Erwartung und individuell erlebter Realität. Das kann verstärkt werden durch eine Kostenübernahme der Krankenkassen, die aus Gründen der Gerechtigkeit und der Selbstbestimmung dennoch geboten scheint. Für den Umgang mit der NIPD bedarf es einer gesellschaftlichen Besinnung.

Das Angebot der Pränataldiagnostik im gesellschaftlichen Kontext
Eng verbunden mit  der möglichen Anerkennung der NIPD als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen ist der gesellschaftliche Umgang mit Behinderung und Anders-Sein. Wir erleben derzeit eine Diskrepanz:  Auf der einen Seite gibt es die  geforderte und geförderte Inklusion von Menschen mit Behinderung, auf der anderen Seite das Angebot der Medizin, durch immer speziellere Angebote der Pränataldiagnostik eine (chromosomal bedingte) „Abweichung“ möglichst früh in der Schwangerschaft zu erkennen. Die NIPD ist nur der Endpunkt einer langjährigen Entwicklung. Dieses Angebot ist unausgesprochen verbunden  mit der Perspektive, die Geburt der Betroffenen zu verhindern: Mehr als 90% der Schwangeren, die erfahren, dass ihr ungeborenes Kind eine Trisomie 21 hat, entscheiden sich für einen Abbruch der Schwangerschaft. Der Widerspruch  zwischen öffentlich propagierter Inklusion und  individuell möglicher Selektion wird nicht benannt, im Gegenteil: Er wird weitgehend verschleiert. Was als Angebot der Selbstbestimmung deklariert wird, erleben viele Schwangere als gesellschaftlichen Druck. Die individuelle Lösung der mit dieser doppelten Botschaft verbundenen Problematik während der Schwangerschaft kann eine Überforderung von Frauen und ihren beratenden Ärzten/Ärztinnen darstellen.
Die DGPFG begrüßt, dass die Diskussion um die Frage der Kostenübernahme derNIPD auch im parlamentarischen Rahmen erörtert wird. Denn es geht um mehr als um eine medizinische Methoden-Diskussion, es geht um grundsätzliche ethische Problemstellungen.  Dazu gehören die Selbstbestimmung der Schwangeren, der Schutz des Ungeborenen, der gesellschaftliche Umgang mit dem „Anders-Sein“ und ein gerechter  Zugang zur gesundheitlichen Versorgung. Dabei geht es nicht um richtig oder falsch, sondern letztlich um ein Abwägen von moralischen Werten.

Die Aufgabe von Frauenärzten und Frauenärztinnen im Kontext von Pränataldiagnostik
Frauenärztinnen und Frauenärzten fällt beim Thema Pränataldiagnostik eine besondere Rolle zu. Die gynäkologische Praxis ist  für die Schwangeren/ die werdenden Eltern meist die erste und für viele auch die wichtigste Anlaufstelle. Hier erwarten sie Information und zusätzlich Unterstützung bei der Entscheidungsfindung. Das ist sehr umfassend: Das Spektrum der möglichen vorgeburtlichen Diagnosen reicht von unterschiedlich ausgeprägten körperlichen Entwicklungsstörungen und Erkrankungen  bis zu irreversiblen genetisch festgelegten  Besonderheiten, das Spektrum der möglichen Konsequenzen reicht von Besserung bzw. Heilung bis hin zu der Entscheidung, eine Schwangerschaft abzubrechen.  Eine wirklich umfassende Beratung mit allen möglichen Konsequenzen ist nicht nur sehr zeitaufwändig sondern auch belastend, für alle Beteiligten. Sie reißt die Schwangere notgedrungen aus der „Zeit der guten Hoffnung“.  Eine wirklich autonome Entscheidung, noch dazu unter Zeitdruck und im oben geschilderten gesellschaftlichen Kontext, ist oft kaum zu erreichen.
Pränataldiagnostik ist immer mit Sorge, zum Glück häufig mit Entlastung, nicht selten aber auch mit  Belastung verbunden. Die Beratung verlangt neben dem medizinischen Wissen  eine besonders hohe Kompetenz in Kommunikation. Ziel ist die selbstverantwortliche Entscheidung der Frau auf der Basis von gemeinsamen Überlegungen, ein sogenanntes Shared Decision Making (SDH).
Die DGPFG versammelt als weltweit größter Fachverband der psychosomatischen Frauenheilkunde mehr als 700 Frauenärzte und –ärztinnen,  die sich einer im besten Sinne ganzheitlichen, d.h. körperlichen wie seelischen Betreuung besonders verpflichtet fühlen. Die DGPFG hat von Beginn an die Einführung der NIPD kritisch begleitet und auf die möglichen Konsequenzen hingewiesen (s.Stellungnahme zu NIPD/ Dez. 2013).

Aspekte der NIPD
Die medizinischen Grundlagen und Aussagemöglichkeiten der NIPD setzen wir als bekannt voraus.
Weithin unbestritten ist, dass mit Hilfe dieser Methode höchstwahrscheinlich eine Anzahl von bislang  iatrogen (ärztlich) verursachten Fehlgeburten verhindert werden kann, die der derzeit üblichen Fruchtwasserentnahme anzulasten sind. Aus diesem Blickwinkel  hat die NIPD medizinische Vorteile, und  Frauen müssen über die neue Methode informiert werden. Sie sollten selbst entscheiden können, ob sie die NIPD in Anspruch nehmen wollen um etwas über die genetische Ausstattung ihres Ungeborenen zu erfahren.  Diese Entscheidung sollte nicht an die persönlichen finanziellen Möglichkeiten gebunden sein. Alles zusammen sind das klare  Argumente für die Übernahme der Kosten durch die gesetzlichen Krankenkassen.
Allerdings ist dabei zu bedenken: Die NIPD ist keine übliche Methode der Früherkennung. Sie dient nicht dem Wohl des individuellen Ungeborenen und nur sehr bedingt dem Wohl der werdenden Mutter. Damit ist gemeint:  Die Information über einen „normalen“ Chromosomensatz kann zwar manche Schwangere entlasten, aber die Information  „Trisomie“  führt zu enormer Belastung. Fast alle Schwangeren entscheiden sich für einen Abbruch der Schwangerschaft, aus Angst vor der erwarteten und gefürchteten Belastung.  Das ist nicht der einzelnen Frau oder der frauenärztlichen Beratung anzulasten, sondern hat vor allem mit dem gesellschaftlichen Umfeld zu tun. Solange Sätze üblich sind wie: „Willst Du Dir das wirklich antun?“ ist es enorm schwierig, eine Entscheidung für ein Kind mit einer Chromosomenauffälligkeit zu treffen. Die Entscheidung gegen das Kind ist ein Tabu: Der Abbruch wegen Trisomie wird von den meisten Familien geheim gehalten, was zu einer weiteren Belastung führt.

NIPD als Kassenleistung – was ist zu fordern?
Es ist nach Mitteilungen aus dem GKV-Spitzenverband damit zu rechnen, dass die NIPD demnächst  als Kassenleistung aufgenommen wird, zumindest bei Risikoschwangeren.  Die DGPFG akzeptiert das, warnt aber vor einer umstandslosen Aufnahme der NIPD in den Leistungskatalog der Mutterschaftsrichtlinien.

Die DGPFG fordert:

  • eine professionelle umfassende und offene Beratung, für die es der Kompetenz, der Zeit und der Honorierung bedarf.  Jede Schwangere sollte vor jeder Form der Pränataldiagnostik, speziell aber vor der NIPD gefragt werden: „Was wollen Sie von Ihrem Kind wissen?“  Zusammen mit dem Angebot der NIPD muss in der Beratung eindeutig darauf hingewiesen werden, dass die Diagnose einer Chromosomenveränderung nicht mit der Möglichkeit einer Therapie verbunden ist. Die Schwangere sollte wissen, dass sie eventuell vor schwerwiegende Entscheidungen gestellt wird bis hin zu einem Abbruch der Schwangerschaft. Sie sollte erfahren, dass jede ihrer Entscheidungen – für oder gegen NIPD, für Austragen oder Abbruch einer Schwangerschaft – akzeptiert und sie in jedem Fall bestmöglich unterstützt wird.
  • eine fortwährende gesellschaftliche Wertedebatte, eine Diskussion um die Bedeutung von Behinderung und den Umgang damit, unter Einbeziehung aller.  So betonen zum Beispiel Eltern von Kindern mit Trisomie zu Recht: „Mein Kind leidet nicht an einer Trisomie – es hat eine Trisomie.“ Sie berichten von einem ganz speziellen, oft nicht einfachen und dennoch sehr guten Leben. Werdende Eltern müssen darauf vertrauen können, dass sie eine besondere Unterstützung erfahren und ihnen zur Geburt ihres besonderen Kindes gratuliert wird,  statt hören zu müssen: „Hat man das denn nicht vorher sehen können?!“  – eine Frage, die die Problemlösung fälschlich auf die frauenärztliche  Praxis und die einzelne Frau fixiert.  Das darf nicht sein!

Für den Vorstand der DGPFG:
Dr.med.Claudia Schumann
Frauenärztin / Psychotherapie
Vizepräsidentin DGPFG

Stellungnahme zum Download

Ansprechpartnerinnen für die Presse

Dr. med. Claudia Schumann
Vizepräsidentin der DGPFG
Claudiaschumann@t-online.de
M +49 170 7322580

 

Slide DGPFG-Stellungnahme aus Anlass der parlamentarischen Diskussion über die Einführung der Nichtinvasiven Pränataldiagnostik (NIPD) als Kassenleistung

Artikel des Monats November 2018

Artikel des Monats November 2018

vorgestellt von PD Dr. med. Friederike Siedentopf

Nia Holford, Sue Channon, Jessica Heron, Ian Jones

The impact of postpartum psychosis on partners

BMC Pregnancy and Childbirth (2018) 18:414

In dem Artikel wird eine qualitative Studie zur Situation der Partner bei postpartaler Psychose vorgestellt. Die Autoren wollen damit eine Forschungslücke beleuchten, da bislang in der Regel nur die Situation der von der postpartalen Psychose betroffenen Frauen betrachtet wurde. Unklar war bisher einerseits wie die Partner die Psychose erleben als auch andererseits, inwieweit sie die erkrankten Frauen unterstützen können.

Die postpartale Psychose ist eine schwere psychiatrische Erkrankung, die eigentlich einen psychiatrischen Notfall darstellt. Sie tritt etwa bei 1 bis 2 pro 1000 Geburten auf, meistens in den ersten zwei Wochen nach der Entbindung. Typischerweise ist der Beginn plötzlich, unerwartet und schwer.

Im Rahmen der Studie wurden in semistrukturierten Interviews 8 betroffene Männer zu ihren Erfahrungen der postpartalen Psychose befragt. Die Auswertung der Interviews erfolgte mit der Methode der interpretativen phänomenologischen Analyse. Aus den transkribierten Interviews wurden sieben Hauptthemen extrahiert. Diese umfassten Verlust, Machtlosigkeit, gemeinsames sowie individuelles Coping, Annahme und Nachsicht; Barrieren zur Versorgung und nicht erfüllte Bedürfnisse; das Managen von multiplen Rollenanforderungen und positive Veränderungen, ausgelöst durch die postpartale Psychose, wie zum Beispiel eine engere Bindung zu ihrem Kind als sie selber erwartet hatten oder aber eine stärkere Zuwendung zur Familie, da sie eine größere versorgende Funktion in der Familie übernehmen mussten als eigentlich geplant war.. Einige dieser Themenbereiche decken sich mit den Forschungsergebnissen zu Frauen mit postpartaler Psychose.

Die Auswertung zeigt das breite Spektrum an Erfahrungen, ausgelöst durch die postpartale Psychose, unter anderem finden sich auch bisher nicht betrachtete Auswirkungen wie erhöhte Wachsamkeit in Bezug auf Rückfälle und positive Veränderungen im Beziehungsgefüge. Durch die Studie können nun auch die Bereiche deutlicher benannt werden, die einer verstärkten Aufmerksamkeit der Behandelnden bedürfen und zu identifizieren, wo vermehrter Unterstützungsbedarf erforderlich ist. Ganz grundsätzlich scheint auch die Diagnosestellung bei den betroffenen Frauen schwierig gewesen zu sein, so dass der Eindruck entsteht, dass ärztlicherseits das Krankheitsbild immer noch zu wenig im Bewusstsein ist.

Aus meiner Sicht handelt es sich um eine interessante Arbeit, die versucht, sich an das schwierige Krankheitsbild der postpartalen Psychose aus der Perspektive der betroffenen Partner anzunähern, die bisher wenig beachtet wurde, und damit einen Beitrag zu einer bestehenden Forschungslücke zu schließen.

Friederike Siedentopf, November 2018

PD. Dr. med. Friederike Siedentopf

Professor Heribert Kentenich, DGPFG-Ehrenmitglied, mit Georg-Klemperer-Ehrenmedaille geehrt

Professor Heribert Kentenich, DGPFG-Ehrenmitglied, wurde am 21. September 2018 mit der Georg-Klemperer-Ehrenmedaille geehrt, einer Auszeichnung der Ärztekammer Berlin

Das DGPFG-Ehrenmitglied der DGPFG, Professor Heribert Kentenich, wurde am 21. September 2018 mit der Georg-Klemperer-Ehrenmedaille, einer Auszeichnung der Ärztekammer Berlin für besondere Verdienste in der Patientenversorgung Berlins und ein herausragendes Engagement für das Ansehen der Ärzteschaft, geehrt.

In der Laudatio der Vizepräsidentin der Berliner Ärztekammer, Dr. Regine Held, hieß es u.a. (https://www.aerztekammer-berlin.de/50ueberUns/50_Auszeichnungen/04_Klemperermedaille/index.html): „Professor Dr. med. Heribert Kentenich wurde 1946 im nordrhein-westfälischen Bergheim geboren und ist in Bergisch-Gladbach aufgewachsen. Mitte der 1960er Jahre kam er nach Berlin und studierte Medizin an der Freien Universität Berlin. Dort prägte ihn vor allem die Studentenbewegung, in der er sich aktiv engagierte. So regte der paternalistische Führungsstil vieler Chefärzte ihn und seine Kommilitonen zum Nachdenken und -forschen an. Die Tatsache, dass viele Hochschullehrer bereits während des Nationalsozialismus tätig gewesen waren und die Erkenntnis, dass dies nicht nur in Bezug auf die Vergangenheit relevant ist, sondern auch in die Gegenwart hinein wirkt, führte unter anderem dazu, dass Kentenich Aktivitäten wie die Veröffentlichung des Buches „Medizin und Nationalsozialismus. Tabuisierte Vergangenheit – ungebrochene Tradition?“ unterstützte. Nach dem Abschluss seines Studiums und dem Erhalt der Approbation 1975 ging Kentenich Ende der 1970er Jahre ans Evangelische Waldkrankenhaus Spandau. Dort sammelte er erste Erfahrungen im Bereich der damals noch eher jungen, unbeachteten „alternativen Geburtsmedizin“ und promovierte 1983 unter Prof. Dr. Manfred Stauber mit einer Arbeit zum Thema „‘Natürliche Geburt‘ in der Klinik. Zum Verhalten von Frauen während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett“. Im Jahr 1984 wechselte er ganz zu Stauber an die Universitäts-Frauenklinik in der Charlottenburger Pulsstraße, wo sie in den Folgejahren die Reproduktionsmedizin aufbauten. Dabei sahen Kentenich und seine Kollegen nicht nur das Neue, das „Retortenbaby“, sondern auch die Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung. Diese stellten sie schon damals in einen umfassenderen Kontext und prüften, wie sich die Entwicklung sowohl unter ethischen als auch unter psychosozialen Aspekten vorantreiben ließ und welche Grenzen es zu beachten galt. Mitte der 1990er Jahre wurde Heribert Kentenich Chefarzt der Frauenklinik in Westend, an der er ebenfalls die Reproduktionsmedizin ausbaute und außerdem eine besonders ausgerichtete Geburtsmedizin etablierte. Heute gängige Ansätze wie beispielsweise freundliche, farbenfrohe Geburtsräume statt kalter Kreißsäle oder sogenanntes „Bonding“ nach der Geburt gehörten für den damaligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Gynäkologie und Geburtshilfe zum Arbeitsalltag. Für Kentenich war die ganzheitliche, psychosomatische Betrachtungsweise maßgeblich und er forderte von seinen Mitarbeitern, dass diese bei jedem Patientenkontakt angewendet wird. Um seine Ideen und Arbeitsschwerpunkte nicht nur praktisch, sondern auch politisch vorantreiben zu können, engagierte und engagiert er sich seit vielen Jahren in verschiedenen Gremien, wissenschaftlichen Einrichtungen und Fachgesellschaften.

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