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Abstracts Kurzvorträge

Sitzung Kurzvorträge 1
Vorsitz: Martina Rauchfuß, Berlin; Jana Maeffert, Berlin

Subjektives Geburtserleben und personenzentrierte Geburtshilfe: Die RESPECT-Studie
Nina Schurig, Hamburg

Psychische Erkrankungen bei Müttern im Wochenbett – eine retrospektive gematchte Kohortenstudie mit GKV-Routinedaten
Dagmar Hertle, Wuppertal

Gebärmutterhalskrebsfrüherkennung aus psychosozialer und medizin-anthropologischer Perspektive
Kelly Mulvaney, Chicago, Berlin

Beyond trauma: an embodied philosophy
Lorraine Boris, La-Chaux-de-Fonds

Das Potenzial der Kleinen Geburt
Julia Ruth Steinmann, Villingen-Schwenningen

Multimodale Effektoptimierung einer digitalen Intervention auf die peripartale psychische Gesundheit und den BMI durch persönliches Coaching
Kathrin Haßdenteufel, Heidelberg

Traumasensible Geburtsvorbereitung psychisch erkrankter Frauen
Brigitte Kastner, Nürnberg

„Wie kann ich helfen traurig zu sein“
Natalie Heinermann-Müller, Nürnberg

Lachen hilft! Hasya-Yoga zur Förderung der Lebensqualität bei Patientinnen nach Brustkrebs. Eine einarmige Beobachtungsstudie
Rüdiger Lewin, Grevenbroich

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Subjektives Geburtserleben und personenzentrierte Geburtshilfe: Die RESPECT-Studie
Schurig N 1 2 3, Vollert B 1 2, Zieß V 1 2, Weise V 2, Seefeld L 2 4, Birdir C 5, Wimberger P 5, Garthus-Niegel S 2 6 7
1 Institute for Systems Medicine (ISM), MSH Medical School Hamburg, Hamburg, Deutschland
2 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der TU Dresden, Dresden, Deutschland
3 Institut für Medizinische Informationsverarbeitung Biometrie und Epidemiologie, Pettenkofer School of Public Health, Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Deutschland
4 Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Medizinische Fakultät der TU Dresden, Dresden, Deutschland
5 Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Dresden, Deutschland
6 Institute for Systems Medicine (ISM) und Fakultät Humanwissenschaften, MSH Medical School Hamburg, Hamburg, Germany
7 Department of Childhood and Families, Norwegian Institute of Public Health, Oslo, Norway

Hintergrund: Das subjektive Geburtserleben (werdender) Eltern wird durch zahlreiche Faktoren beeinflusst (z. B. gesundheitsbezogene und sozioökonomische Faktoren oder die Interaktion zwischen der Gebärenden und dem geburtshilflichen Personal). Ziel des interdisziplinären Verbundprojekts RESPECT ist es, diese Faktoren sowie deren Auswirkungen (z. B. auf elterliche mentale Gesundheit, Partnerschaftszufriedenheit oder Eltern-Kind-Bindung) genauer zu untersuchen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert.

Methode: Im Rahmen von RESPECT werden über 2.000 Eltern über vier Erhebungen von der Schwangerschaft bis 24 Monate postpartal mittels drei Online-Fragebögen und einem strukturierten Telefoninterview quantitativ befragt. Die Proband:innen werden vorrangig am Universitätsklinikum Dresden sowie an weiteren Dresdner Kliniken und einem Geburtshaus rekrutiert. Die Hauptstudie wird durch zwei Substudien ergänzt, in denen sowohl mit Eltern als auch mit geburtshilflichem Personal qualitative Leitfadeninterviews geführt werden. Die Befragung des geburtshilflichen Personals wird durch Fallvignetten ergänzt.

Ergebnisse: Bis Dezember 2023 konnten bereits 787 Eltern eingeschlossen werden und sechs von ihnen qualitativ befragt werden. Die Befragung des geburtshilflichen Personals erfolgt ab Anfang 2024. Im Rahmen des Vortrags werden das Studiendesign sowie erste Ergebnisse der Haupt- sowie aller Teilstudien vorgestellt.

Schlussfolgerung: RESPECT ermöglicht die Erfassung des subjektiven Geburtserlebens und möglicher Folgen bei beiden Elternteilen im Langzeitverlauf. Des Weiteren werden sowohl die Perspektive der (werdenden) Eltern als auch die des geburtshilflichen Personals qualitativ untersucht. So kann das Geburtserleben umfassend abgebildet werden. Daraus sollen im Sinne des nationalen Gesundheitsziels „Gesundheit rund um die Geburt“ Maßnahmen und Unterstützungsangebote zur Verbesserung der Versorgungssituation entwickelt werden.

Psychische Erkrankungen bei Müttern im Wochenbett – eine retrospektive gematchte Kohortenstudie mit GKV-Routinedaten
Hertle D, Wende D
Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung, bifg, Wuppertal

Einleitung: Die Belastungen von Müttern werden häufig unterschätzt. Die Geburt eines Kindes ist ein lebensveränderndes Ereignis, das viele Mütter aufgrund von festgefahrenen Rollenbildern und gesellschaftlichen Erwartungen unter Druck setzt, allen Ansprüchen zu genügen und dabei „glücklich“ zu sein. Angaben der Stiftung Gesundheitswissen aus dem Jahr 2023 zufolge sind jedoch zwischen 4% und 13% der Mütter von einer postpartalen Depression betroffen. Die Studienergebnisse sind aber schon älter (1993 – 2013) und divergieren stark. Aktuelle verlässliche Zahlen für Deutschland liegen nicht vor. Eine Analyse mit GKV-Routinedaten soll helfen, diese Lücke zu schließen.

Methode: Durchführung einer retrospektiven gematchten Kohortenstudie auf GKV-Routinedaten bei jährlich ca. 60.000 Müttern (Kohorte A) gegenüber Nichtmüttern (Kohorte B) und historischen Müttern (Kohorte C) mit gleichen medizinischen und sozioökonomischen Eigenschaften. Die Outcomes von Müttern (Depressionen, Angststörungen und Belastungszustände verschiedener Schwergrade) werden mit ihren Kontrollpersonen während der Wochenbettepisode in Jahresscheiben für die Berichtsjahre 2018 bis 2022 verglichen. Die Modellierung erfolgt mittels Poisson-Regression.

Ergebnisse: Im Vortrag dargestellt werden aktuelle Zahlen zur Häufigkeit und zu relativen Belastung von Müttern nach der Geburt im Zeitverlauf unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen während der Wochenbettepisode, insbesondere der Corona-Pandemie. Der Zusammenhang zwischen der Geburt und einer neu auftretenden psychischen Störung wird durch das Matching mit Nicht-Müttern erhärtet/bzw. entkräftet. Der Einfluss der Corona-Pandemie wird über einen Vergleich zur historischen Kontrollkohorte abgebildet.

Schlussfolgerung: Die Daten können Grundlage sein für weitere vertiefende Analysen und eine verbesserte Präventionsarbeit und Versorgung von Müttern wie sie vom Nationalen Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt” gefordert wird.

Gebärmutterhalskrebsfrüherkennung aus psychosozialer und medizin-anthropologischer Perspektive
Mulvaney K
Department of Anthropology, University of Chicago / Arbeitsstelle Medical Anthropology and Global Health, Freie Universität Berlin

Bezüglich der Vorbeugung von Gebärmutterhalskrebs liegt der medizinische Fokus auf der Prävention humaner Papillomaviren (HPV) durch Impfung ebenso wie auf der Optimierung der Früherkennung samt ihrer diagnostischen Kategorien und Protokollen. Dabei bleiben die Erfahrungen der vielen Frauen, die jährlich im Rahmen der Früherkennung mit sogenannten „Krebsvorstufen“ diagnostiziert werden, häufig unberücksichtigt. Diese medizinisch-anthropologische Dissertationsforschung untersucht die Diagnose fortgeschrittener Zervixdysplasie und ihre Behandlung durch Konisation mit Hinblick auf psychosoziale Zusammenhänge. Wie erfahren Frauen die Diagnose mit einer fortgeschrittenen Dysplasie? Und wie sind die Erfahrungen von Frauen möglicherweise von Bedeutung für die Diagnose?

Es werden ethnografische Interviews geführt mit 35 Frauen, die mit Konisation behandelt wurden, sowie mit 18 Frauen ohne gynäkologische Auffälligkeit. Dazu werden teilnehmende Beobachtung im Feld der medizinischen Forschung und Lehre zu Dysplasie-relevanten Themen sowie durch Interviews mit medizinischem Fachpersonal geführt.

Eine Auswertung wird zum DPFPG-Kongress vorliegen. Vorergebnisse sind: 1) Während Dysplasie-Diagnose in der Medizin als Bestandteil einer erfolgreichen Präventionsstrategie gilt, ist sie für viele Frauen ein existentielles Ereignis, das teilweise als erhebliche psychosoziale Belastung erfahren wird. 2) Die Mehrheit der Frauen fühlt sich schlecht informiert über HPV, auch nach dem Besuch der Dysplasiesprechstunde. 3) Es gibt Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung einer fortgeschrittenen Dysplasie und schwerer bzw. traumatischer Lebenserfahrungen. Diese möchte ich auf dem DPFPG-Kongress zur Diskussion stellen, auch um das Feedback in meine Analyse aufzunehmen. Vorläufige Schlussfolgerungen: 1) Es braucht eine bessere öffentliche Aufklärung zu HPV und Dysplasie. 2) Die Leistungen der Dysplasiesprechstunde könnten durch ein psychosoziales Angebot sinnvoll ergänzt werden.

Beyond trauma: an embodied philosophy
Boris L, Zilan S
Flamingo e.V. Berlin

Inspired by the women of Jinwar village, Syria, and their understanding of jineolojî (science of women), collectives of women have created the Hevrîn Xelef Heilkräutergarten in Neukölln. Revolving around a medicinal herb garden, these women and children from different backgrounds, mostly with a history of fleeing war zones and oppression, care together for the plants, share tea, and sell different products in order to sustain the project. Trauma is naturally floating in the air – as often for women refugees.

Yet, what will be discussed is of another nature. Participation and observation within the project highlight philosophical questions which get hardly audible within the usual routine of healthcare, and which are at the root of many contemporary discussions around climate collapse. Many women testify that being in community help them breath better, share their personal history and break isolation. As one puts it, there is no healing without freedom. This include being in community with “more-than-human” beings, opening up to different experience of “time-space”, that heals what we would call the mind and body. There is a kinship between a worldview that denies beingness to more-than-human “objects”, isolates the human subject in ethereal forms of language, and one that allows itself to exclude certain humans from its value system – ensuing all uses of force and resulting trauma. This is well understood in the garden. Overcoming it means going beyond it, and finding ways to build utopias enabling life to flourish in all its aspects – untangling the notion of the isolated subject trapped within a symptomatic body, and implementing environmental and decolonial perspectives, summed up in the slogan “Jîn Jyian Azadî”.

What can be learned from these experiences ? Which philosophical concepts emerge both from jineolojî, decolonial perspectives and environmental phenomenology, which could be inspirational for the participants in the congress?

German version available

Das Potenzial der Kleinen Geburt
Steinmann J R
Villingen-Schwenningen

Hintergrund: Frauen in der reproduktiven Phase erleben in ca. 10-25 % ihrer Schwangerschaften einen frühen Verlust. Invasive Behandlungsmethoden gelten als gängig. Ein Teil der betroffenen Frauen entscheidet sich für das fachlich begleitete Abwarten des natürlichen Geburtsprozesses. Die körperlichen Vorgänge bei einer Kleinen Geburt durchlaufen die verschiedenen Stadien der termingerechten Geburt. Hebammenexpertise zeigt, dass im natürlichen Verlauf eines frühen Verlustes das Potenzial der Selbstermächtigung für die Betroffenen liegt. Sie erleben ihre körperliche Fähigkeit, die Fehlgeburt eigenständig und gesund vollständig zu beenden, sich anzupassen und Trauer zu bewältigen.

Fragestellung: Welche Veränderungen beschreiben Frauen, die eine natürliche Kleine Geburt erlebt haben bezüglich ihrer Selbstwirksamkeitserwartung und ihrer Urteils- und Entscheidungsfähigkeit?

Methodik: Der Datengewinn erfolgte als qualitative Umfrageforschung von Dez 2020 bis Jan 2021. Elf teilstandardisierte Interviews wurden mittels Inhaltsanalyse nach Mayring in MAXQDA deduktiv ausgewertet.

Ergebnisse: Eine Steigerung der Selbstwirksamkeit wurde von den Befragten sowohl im Geburtsprozess als auch der Trauerbewältigung sowie in der Anpassung an die neue Situation erlebt. Da das Durchleben des Prozesses als essentiell für die Bewältigung benannt wurde, spielt der Geburtsmodus offenbar eine Rolle. Es ist davon auszugehen, dass das Erleben der Selbstwirksamkeit bei den befragten Frauen das Vertrauen in die Entscheidungsfähigkeit und die Fähigkeit zur Beurteilung der Körpergeschehnisse verstärkt hat.

Schlussfolgerungen: Im Durchleben des physischen Prozesses der Kleinen Geburt liegt das Potenzial für eine Stärkung des Vertrauens in das Funktionieren des Körpers, für das Begreifen des Verlustes und die Aktivierung wertvoller Ressourcen. Das Erleben kann auf zukünftige Kontrollüberzeugungen wie z.B. das Gebärvermögen positiv wirken. Jede Frau sollte Aufklärung erhalten und eine Wahl haben.

Multimodale Effektoptimierung einer digitalen Intervention auf die peripartale psychische Gesundheit und den BMI durch persönliches Coaching
Haßdenteufel K
Gynäkologie und Geburtshilfe,  Universitätsfrauenklinik Heidelberg

Einleitung: Depressive Störungen und Angsterkrankungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen während der Peripartalzeit und korrelieren mit ungünstigen Outcomes. Der Einsatz digitaler Achtsamkeitsinterventionen, die niederschwellig und kostengünstig eingesetzt werden können, ist ein vielversprechender präventiver und therapeutischer Ansatz. Ob der Effekt einer digitalen Intervention durch ein zusätzlich durchgeführtes persönliches Coaching potenziert werden kann, soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden.

Methode: Im Rahmen der multizentrischen Studie wurden N = 460 Patientinnen 1:1 in die Kontroll- und Interventionsgruppe randomisiert, welche zwischen der 29.-36. SSW einen achtwöchigen Zugriff auf die digitale Achtsamkeitsintervention erhielt. In einer Subgruppenanalyse wurden die Teilnehmerinnen abermals in eine Gruppe ohne zusätzlichen persönlichen Kontakt (NPC = no personal coaching) und eine mit zusätzlichem Kontakt (PC = personal coaching) eingeteilt. Psychometrische Daten wurden anhand der EPDS, des State-Trait-Anxiety-Inventory (STAI), Pregnancy-Related-Anxiety-Questionnaire (PRAQ-R) und des Freiburg-Mindfulness-Inventory (FMI-14) bis 5 Monate postpartal erhoben. Der maternale BMI wurde als Sekundäroutcome betrachtet.

Ergebnisse: Ein zusätzliches Coaching führte sowohl in der Kontroll- als auch der Interventionsgruppe zu einer signifikanten Reduktion der Ängstlichkeit (F = 2.582; p = 0.030; η ² = 0.018) und depressiven Störungen (F = 3.159; p = 0.009; η ² = 0.021). Innerhalb der PC konnte bei Patientinnen der Interventionsgruppe ein durchweg geringerer BMI als in der Kontrollgruppe verzeichnet werden.

Schlussfolgerung: Der zusätzliche Einsatz eines persönlichen Coachings neben einer digitalen Achtsamkeitsintervention hat einen positiven Effekt auf die peripartale mütterliche Achtsamkeit sowie die psychische und körperliche Gesundheit. Diese Potenzierung sollte bei der Implementierung digitaler Anwendungen beachtet werden.

Traumasensible Geburtsvorbereitung psychisch erkrankter Frauen
Kastner B, Schwab S
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie,  Klinikum Nürnberg, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Nürnberg

Einleitung: Mit einer Prävalenz von ca. 20% hat jede fünfte Frau emotionale, physische oder sexuelle Traumata im Kindes- und Jugendalter (Häuser et al. Ärzteblatt 2011) erlebt und 10-30% der Schwangeren leiden an den Folgen früherer Gewalt (Lukasse et al 2014). Diese wirken sich auf das Erleben des eigenen Körpers in der Schwangerschaft und unter der Geburt aus. Sexuell und emotional traumatisierte Frauen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine Retraumatisierung durch die Geburt zu erleben (18,5%) (Ayers, Yildiz 2016).

Methode: Im Kurzvortrag sollen unsere psychiatrische „Geburtsinfogruppe“ und ein Geburtsplanbeispiel vorgestellt werden. Die „Geburtsinfogruppe“ informiert die Frauen/ Paare zu den medizinischen und hormonellen Vorgängen rund um Geburt und Wochenbett. Die Geburtspläne (nach Anke Rohde) sollen die GeburtshelferInnen für die speziellen Bedürfnisse der Frauen sensibilisieren. Mit Fragebögen führten wir eine Abfrage durch bzgl. des Benefits für die Geburt.

Ergebnisse: Das Item „Vorbereitet sein für Geburt“ stieg signifikant, das Item „Angst vor der Geburt“ sank signifikant vor/nach Infogruppe. Über 80% der Frauen gaben an, dass die Infogruppe und der Geburtsplan für die Geburt hilfreich oder sehr hilfreich waren.

Schlussfolgerung: Durch gute Vorbereitung der Geburt erleben die Frauen mehr Selbstbestimmtheit und ein stärkeres Gefühl von Kontrolle unter der Geburt. Zusätzlich kann ein Geburtsplan auch den GeburtshelferInnen mehr Handlungssicherheit geben. In vielen Fällen kann ein positiveres Geburtserleben erreicht werden. Deswegen sollte jede Frau durch FrauenärztInnen und Hebammen in der Schwangerschaft auf Traumata gescreent werden, um sie dann gut auf die Geburt vorzubereiten und unter der Geburt feinfühlig zu betreuen. Das Screening kann durch direkte Nachfrage oder z.B. durch den EPDS Plus Fragebogen erfolgen, der im Rahmen des UPlusE Projektes angewandt wird.

Wie kann ich helfen traurig zu sein
Heinermann-Müller N
Psychiatrische Mutter-Kind Station Klinikum Nürnberg Süd, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Nürnberg, Klinikum Nürnberg

Frauen berichten in den therapeutischen Gesprächen häufig, dass die Geburt ihres Kindes schwer und anders verlaufen sei wie erwartet. Sie fühlen sich seelisch belastet, können die Erinnerung an bildhaften Szenen nicht verarbeiten und sich nicht genügend davon lösen. Zu dem machen viele Frauen die Erfahrung, dass in der Umgebung kein Verständnis für ihr Leid herrscht, die Freude über das letztlich gesunde Kind sollte alles wieder gut gemacht haben. Aus therapeutischer Haltung besteht der Wunsch die Frau bei der Verarbeitung zu unterstützen, auch wenn die zeitlichen Möglichkeiten beschränkt sind oder das therapeutische Setting nicht speziell auf Traumatherapie ausgewiesen ist. Was kann getan werden? Schilderung der Möglichkeiten anhand eines Fallbeispiels.

Methode: Angeboten wird das psychotherapeutische Gespräch (niedrigschwellig), welches Raum und Zeit für den Rückblick gibt, auch wenn viele Monate vergangen sind. Zum Einsatz kommen Methoden wie u.a. das Narrativ mit der emotionalen Aktivierung und Verarbeitung des Erlebnisses (IRRT nach Schmucker und Köster), die Validierung der Trauer über den Verlust von Zeit und lebensgeschichtlich bedeutsamen Erfahrungen (v.a. bei Frühgeburten), Elemente der Edukation und Paargespräche.

Ergebnisse: Frauen fühlen sich in ihrem Thema verstanden und können sich, häufig nach einem zeitlichen Abstand vom Geschehen, innerlich neu sortieren, die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, bewerten und in ihrem Lebenslauf integrieren. Die Nachhalleffekte der als traumatisch erlebten Geschehnisse können somit deutlich reduziert werden.

Schlussfolgerung: In dem Kurzvortag soll besonders die Bedeutung der Legitimation eines Trauerprozesses herausgearbeitet werden und gezeigt werden, wie dieser in einem stationären oder ambulanten Setting unterstützt werden kann, ohne dass Frauen lange auf einen traumaspezifischen Therapieplatz warten müssen.

Lachen hilft! Hasya-Yoga zur Förderung der Lebensqualität bei Patientinnen nach Brustkrebs. Eine einarmige Beobachtungsstudie
Lewin R
Grevenbroich

Hintergrund: In der Fachliteratur existieren bisher einige Arbeiten, die Lachanwendungen im Rahmen eines wissenschaftlichen Studiendesigns evaluierten. Diese lieferten erste Belege für einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität und Stress. Die vorliegende Studie untersucht den Einfluss von Lachyoga auf die Lebensqualität von Mammakarzinompatientinnen. Ein strukturiertes Lachyoga-Anwendungsprogramm als komplementärmedizinischer Behandlungsansatz soll evaluiert und dessen Wirksamkeit beurteilt werden.

Methoden: In die prospektive, einarmige monozentrische, Interventionsstudie wurden 40 erwachsene Patientinnen nach invasivem Mammakarzinom und abgeschlossener Primärbehandlung eingeschlossen. Die Lebensqualität, Spiritualität, Affektivität, Lebenszufriedenheit, Depressivität und Stress wurden vor, nach und ein halbes Jahr nach Interventionsbeginn gemessen. Hierbei wurden international validierte Messinstrumente in Form von Fragebögen verwendet (FACT-B, FACIT-SP, PANAS, SWLS, BDI, PSS-10).

Ergebnisse: Unsere Daten belegen postinterventionell eine 5,8-prozentige Verbesserung für die globale und eine 7-prozentige Verbesserung für die brustkrebsspezifische Lebensqualität. Die Ergebnisse sind signifikant, und zwar auch für deren funktionelle Aspekte. Zudem wurden signifikante Verbesserungen für Spiritualität (8,2%), Lebenszufriedenheit (13,1%), Depressivität (14,7%) und Stress 7,9%) belegt. Die Veränderungen waren nachhaltig, da sie auch noch ein halbes Jahr nach Interventionsbeginn nachweisbar waren.

Schlussfolgerung: Die vorliegenden Daten belegen die Wirksamkeit einer strukturierten Lachyogaanwendung für Patientinnen nach Brustkrebs. Spezifische Stärken des Lachyogas sind Stressreduktion und eine positive Wirkung auf die funktionellen Aspekte der Lebensqualität. Die Wirkung ist nachhaltig. Die Befunde stehen im Einklang mit den Resultaten internationaler Studien. Die Forschung zu Lachanwendungen in der onkologischen Medizin sollte intensiviert werden.

Sitzung Kurzvorträge 2
Vorsitz: Susanne Ditz, Heidelberg; Ruben Plöger, Bonn

Development and evaluation of an interdisciplinary learning module on first trimester abortion within the consultation clause for medical students
Kristina Killinger, Heidelberg

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen – auch Hilfe für Fachkräfte
Christine Weyh, Köln

Posttraumatische Belastungsstörung nach der Geburt: Definition, Risikofaktoren, Pathophysiologie, Diagnose, Prävention und Behandlung
Katharina Hartmann, Bonn

Prävention von (Re-)Traumatisierung während der Geburt. Intrapartale Betreuung und subjektives Geburtserleben von Patient:innen der Gynäkopsychiatrie
Fabienne Forster, St. Gallen

Was macht uns solche Angst ?
Katharina Lüdemann, Delmenhorst

Traumasensibles Arbeiten in der Geburtshilfe – Erfahrungen aus der Psychologischen Sprechstunde
Lisa Daesler, Berlin

Erste Erfahrungen mit der systematischen Supervision von Onko-Lotsinnen im Rahmen einer Prärehabilitation von Onkologischen Patientinnen
Adak Pirmorady, Berlin

Prävention traumatischer Geburtserfahrungen in der Klinik für Geburtsmedizin Jena
Julia Morach, Jena

Kann man Bindung lernen? Neurofeedbacktraining bei Müttern mit postpartaler Bindungsstörung
Marlene Krauch, Heidelberg

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Development and evaluation of an interdisciplinary learning module on first trimester abortion within the consultation clause for medical students
Killinger K1, Förstel M1, Wallwiener S2
1 Frauenklinik, Universitätsklinik Heidelberg
2 Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinik Halle

For the first time in 2021 the new version of the nationally mandatory competence-based learning catalogue for medical students included theoretical aspects on abortion provision in Germany. Based on the catalogue, we designed a multi-staged module consisting of (a) three expert talks about ethical considerations, abortion provision and patient-centered communication, (b) performance of a role play in small groups with actors to train patient-practitioner-interaction in the context of an unwanted pregnancy and (c) structured group discussions on legal, ethical, and practical aspects of abortion provision. In 2022, we piloted the module in two sessions giving access to all medical students as an extracurricular learning opportunity. We conducted surveys medical school wide prior and within our student group after the module, non-paired.

We received overall 297 answers. Most of the students (79%) are in favor of liberal abortion laws. At the same time only 30% self-assessed their knowledge of the medical and legal basis on abortion provision to be sufficient. Ca. 40 % of the students showed the willingness to perform abortions within the consultation clause and 43% of the students agreed to consult patients on abortion provision but not perform them themselves. The right for practitioners to object to perform abortions was highly agreed upon ( 78%). After our pilot sessions we received 35 evaluation surveys from 60 participants. All students showed great interest in the subject. After the second pilot course we observed an increase of interest by 26%. Students reported a significant increase in knowledge, while upholding similar progressive views on the matter.

After evaluating the module, we have now integrated the module in our regular teaching catalogue. Overall, we see a great response to our new learning module and can hope for practice-changing effects on the provision of abortion care in the future.

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen – auch Hilfe für Fachkräfte
Weyh C
Bundesamt für Familie, Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, Köln

Einleitung: Das bundesweite Hilfetelefon berät seit mittlerweile über 10 Jahren nicht nur gewaltbetroffene Frauen, sondern auch Fachkräfte und Unterstützende.

Die Fachbereichsleiterin Christine Weyh stellt das Beratungsangebot und die Unterstützungsmöglichkeiten des Hilfetelefons vor, mit dem Ziel es auch in der Gruppe der Fachkräfte, die mit mit gewaltbetroffnenen Frauen arbeiten, bekannter zu machen.

Methode: Kurzvortrag mit PowerPointPräsentation (15 Minuten plus Zeit für Fragen)

Inhalte: Das Hilfetelefon – Hintergrund und Einblick in Zahlen / Vorstellung der Angebotstruktur des Hilfetelefons: Anonyme Telefonische Beratung – Email und Chatberatung – Beratung in Gebärdensprache – Dolmetschung in 17 Sprachen / Wer ruft an? / Mit welchen Anliegen? / Wer berät am Hilfetelefon? / An welche Einrichtungen kann vermittelt werden? / Veranschaulichung anhand von Praxisbeispielen / www.hilfetelefon.de

Posttraumatische Belastungsstörung nach der Geburt: Definition, Risikofaktoren, Pathophysiologie, Diagnose, Prävention und Behandlung
Hartmann K
Wissenschaftsressort, Mother Hood e.V. / COST Action 18211, Bonn

Der Kurzvortrag präsentiert die AJOG Expert Review Horsch, A, Garthus-Niegel, S Ayers, S, Chandra, P, Hartmann, K, Vaisbuch, E, Joan Lalor, J (2024) Childbirth-related posttraumatic stress disorder: definition, risk factors, pathophysiology, diagnosis, prevention, and treatment. American Journal of Obstetrics and Gynecology, 2024. https://doi.org/10.1016/j.ajog.2023.09.089 .

Psychologische Geburtstraumata und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) nach der Geburt beeinträchtigen weltweit jährlich 6,6 Millionen Mütter und 1,7 Millionen Väter oder Miteltern. Geburtsbezogene PTBS kann aus traumatischen Geburtserfahrungen resultieren, besonders bei Hochrisikogruppen (zB nach Früh- oder Totgeburten). Risikofaktoren für PTBS sind pränatal (Depressionen, Ängste, Gesundheitsprobleme), perinatal (negative Geburtserfahrungen, vaginal-operative Geburten, Komplikationen) oder postnatal (Depressionen, Anpassungsprobleme).

Die Verbindung von Geburtserlebnissen und PTBS bietet Chancen zur Prävention.

Primäre Prävention (Screening auf pränatale Risikofaktoren, trauma-informierte Begleitung) zielt darauf ab, traumatische Geburtserlebnisse zu verhindern. Sekundäre Prävention (trauma-fokussierte Therapien, frühzeitige Interventionen) identifiziert und interveniert nach traumatischen Geburten. Tertiäre Prävention (kognitive Verhaltenstherapie, Desensibilisierung) soll sicherstellen, dass posttraumatische Belastungsstörungen nicht chronisch werden.

Angemessene Prävention, ggf. Screening und Intervention könnten das Leiden in betroffenen Familien lindern. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Faktor “subjektives negatives Geburtserleben”: Hier bietet sich eine kurzfristige und kostenneutrale Möglichkeit der Prävention. Mittelfristig ist entscheidend, Bewertungs-, Präventions- und Behandlungsinterventionen zu entwickeln, die die gebärende Person, das Elternpaar, die Eltern-Säuglings-Dyade und die Familie als Ganzes berücksichtigen.

Prävention von (Re-)Traumatisierung während der Geburt. Intrapartale Betreuung und subjektives Geburtserleben von Patient:innen der Gynäkopsychiatrie
Forster F, Stoffel P, Stierli S
Gynäkopsychiatrie, Psychiatrie St. Gallen, Will, Schweiz

Einleitung: Diverse Faktoren beeinflussen das subjektive Geburtserleben von Gebährenden. Während viele dieser Faktoren kaum oder nur mittelfristig beeinflussbar sind (z. B. Alter, sozioökonomischer Status, Gesundheit oder Partnerschaft), stellt die intrapartale Betreuung während der Geburt einen zentralen beeinflussbaren Faktor dar. Ganz besonders bei psychisch erkrankten und/oder traumatisch vorbelasteten Personen kann die Qualität der intrapartalen Betreuung darüber entscheiden, ob es zu einer Re-Traumatisierung oder einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit kommt.

Methoden: In der Gynäkopsychiatrie werden u.a. Frauen mit psychischen Problemen im ersten Jahr postpartum behandelt, darunter auch viele mit traumatisch erlebten Geburten. In diesem Forschungsprojekt wird bei Patient:innen der Gynäkopsychiatrie das subjektive Geburtserleben, die Symptombelastung und die erlebte Betreuung während der Geburt mittels standardisierten online Fragebögen erhoben. Die Daten werden mittels Korrelationsanalysen im SPSS ausgewertet.

Ergebnisse: Unter den Patient:innen mit traumatisch erlebter Geburt gab es sowohl eine Gruppe mit vorbestehenden psychischen Störungen als auch eine (verhältnismässig grössere) Gruppe ohne psychiatrische Vorerkrankungen. Die Aussagen der Patient:innen deuten darauf hin, dass eine offene Kommunikation und einfühlsame Begleitung mit möglichst wenig Leistungsdruck unter der Geburt von Frauen mit und ohne vorbestehender psychischer Belastung als wichtig erachtet werden.

Schlussfolgerungen: Diese vorläufigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine differenzierte und Trauma-sensible Geburtshilfe die psychische Gesundheit von Frauen im Postpartum positiv beeinflussen könnte. Wir schlagen kosteneffiziente Screening-Fragen vor und diskutieren die Erfahrungen der betroffenen Frauen im klinischen Kontext.

Was macht uns solche Angst?
Lüdemann K
Frauenklinik, Delme-Klinikum, Delmenhorst

Einleitung: Immer mehr Geburtshelfer*innen fliehen aus der aktiven Geburtshilfe. Chefarztpositionen können nicht besetzt werden, weil Kandidat*innen die geburtshilfliche Tätigkeit ablehnen. Die Hälfte der Hebammenstudierenden bekennen, sie könnten sich eine Tätigkeit in der Klinik nicht vorstellen. Welche Ängste und Erlebnisse stehen hinter dieser Haltung?

Methode: Literaturrecherche und Interviews im Bekanntenkreis

Ergebnisse: Etwa die Hälfte aller Geburtshelfer*innen hat traumatische Ereignisse wie Tod oder schwere Schädigung eines Kindes, Tod einer Mutter oder schwere Komplikationen erlebt. 10-15% entwickeln zumindest vorübergehend eine Belastungsstörung. Gleichzeitig wächst in den Kliniken durch Personalmangel und Finanznot der Druck. Die Anforderungen der werdenden Eltern an das Geburtshilfe-Team sind hoch oder werden so empfunden. Seit 30 Jahren konnten wir in Deutschland trotz maximaler Technisierung der Geburtshilfe keine weitere Verbesserung bei mütterlicher und kindlicher Mortalität erzielen. Es wird also weiterhin traumatische Ereignisse geben.

Schlussfolgerung: Im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach der perfekten Geburt und den schwierigen Arbeitsbedingungen in den Kliniken brauchen wir dringend Interventionen, die ein Team unterstützen und entlasten. Traumatische Ereignisse müssen gezielt aufgearbeitet werden und den Betroffenen so ermöglichen, ihren Beruf weiterhin mit Freude und Selbstsicherheit auszuüben.

Traumasensibles Arbeiten in der Geburtshilfe – Erfahrungen aus der Psychologischen Sprechstunde
Daesler L, Abou-Dakn M
Geburtsklinik/Perinatalzentrum, St. Joseph Krankenhaus Berlin

Obwohl die allgemeine gesellschaftliche und politische Anerkennung für eine psychische Erkrankung wächst und psychische Belastungen, langfristige Risiken und Unterstützungsbedarfe zunehmend identifiziert werden können, ist die Integration durch psychologisch geschultes Fachpersonal in den geburtshilflichen Kliniken nach wie vor eher die Ausnahme. Gerade in der Zeit rund um Schwangerschaft und Geburt sind die Herausforderungen und Veränderungen groß und auch emotional verknüpft. Und nicht selten kann es zu einem Rezidiv einer früheren Psychischen Erkrankung bzw. einer aktuellen Belastung kommen. Um auf das subjektive Erleben rund um die Geburt, mögliche traumatische Vorerfahrungen und aktuelle Belastungen einzugehen, braucht es Expertise, Zeit und eine gute Zusammenarbeit zwischen den Professionen. Multidisziplinäre Teams in der Geburtshilfe, die psychologische und psychosoziale Expertise integrieren bieten eine besondere traumasensible Kompetenz, können präventiv einer Überforderung rund um die Geburt entgegenwirken und das Team entlasten (Daesler, 2018). Allerdings weisen viele Expert*innen auf dem Gebiet vehement auf die fehlenden finanziellen Mittel hin, um einer umfassenden psychosozialen Beratung und psychologischen Betreuung die passende (personelle) Form geben zu können (Abou-Dakn, 2018).

Vor diesem Hintergrund soll an dem Beispiel der psychologischen Begleitung in der Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie des St. Joseph Krankenhauses Berlin-Tempelhof gezeigt werden, dass die Integration der entsprechenden Expertise und Ergänzung der bisherigen Professionen zur „doppelten Dividende“ werden kann und somit einen entscheidenden Beitrag zur traumasensiblen Arbeit im Kontext der Geburtshilfe leistet. Im angestrebten Kurzvortrag soll die Arbeit des psychosozialen Teams der Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie des St. Joseph Krankenhauses Berlin-Tempelhof vorgestellt und am Beispiel der Psychologischen Sprechstunde der traumasensible Ansatz dargestellt werden.

Erste Erfahrungen mit der systematischen Supervision von Onko-Lotsinnen im Rahmen einer Prärehabilitation von Onkologischen Patientinnen
Pirmorady A
Psychosomatik, Charité Universitätsmedizin Berlin

Einleitung: Im Rahmen des KORE-INNOVATIONS Konzeptes, bei dem onkologische Patientinnen im Vorfeld ihrer Operation begleitet und ganzheitlich gestärkt werden sollen, wurden Frauen die selbst an einer Karzinomerkrankung erkrankt waren als Onko-Lotsinnen ausgebildet, da diese Lotsinnen ursprünglich nicht aus pflegerischen/therapeutischen oder ärztlichen Personal bestehen braucht es ein Supervisionsangebot für diese Frauen. Dieses Konzept möchten wir im Rahmen dieser Arbeit vorstellen. Methodik: Die KORE Studie ist eine prospektive kontrollierte nicht randomisierte, zwei Center Studie bei der es um die Optimierung der präoperativen mentalen und somatischen Situation der Patientinnen geht. In diesem Rahmen werden Frauen durch Onko-Lotsinen unterstützt. Die Onko-Lotsinnen werden mit einer einmal im Monat durchgeführten Supervision durch eine Psychoanalytikerin unterstützt um ihre Gruppen- und Einzelcoachings adäquat durchführen zu können.

Ergebnisse: Es konnte festgestellt werden dass regelmäßige Supervisionstermine für Onko-Lotsinnen im Rahmen der KORE Studie einen entlastenden Effekt hatten. Hierzu wird ein Fallbeispiel einer überforderten Onko-Lotsin beschrieben welche sich durch die Deutung der Gegenübertragung und Projektion der eigenen Selbstzweifel und Ängste mit der eigenen Überforderung auseinandersetzen musste und so durch die Supervisionsstunde einen besseren Zugang zu ihrer Aufgabe, der Unterstützung der erkrankten Frauen, erarbeiten konnte.

Schlussfolgerung: Einen begleitenden Raum für Patientinnen mit bevorstehenden schweren Behandlungen zur Verfügung zu stellen um Ängste zu bearbeiten und offene Fragen zu bearbeiten ist ein wichtiger Bestandteil von Heilungsprozessen und sollte systematisierter in die somatische Betreuung onkologischer Patientinnen einfließen.

Prävention traumatischer Geburtserfahrungen in der Klinik für Geburtsmedizin Jena
Morach J, Heimann Y, Schleicher M, Schleußner E
Klinik für Geburtsmedizin, Universitätsklinikum Jena

Auch medizinisch komplikationslose Geburten können von Eltern traumatisch erlebt werden. Posttraumatische Belastungsstörungen sollen nach jeder 35. bis 70. Entbindung entstehen. An der Klinik für Geburtsmedizin Jena wird seit Oktober 2022 das Erleben der Geburt mittels 5-Punkte-Likert-Skala quantitativ beim ärztlichen Abschlussgespräch erfasst (1 als bestes, 5 als schlechtestes mögliches Geburtserlebnis).

Hier sollen erste Ergebnisse einer begleitenden qualitativen Analyse der mütterlichen Kommentare inhaltsanalytisch nach Mayring und Fenzl (2019) ausgewertet werden.

Die Auswertung inkludiert 59 Mütter, die quantitativ eine 4–5 vergaben und deshalb als potentiell traumatisiert betrachtet wurden.

Als bedrohlich beschrieben Mütter die Angst um das eigene oder das Leben ihres Kindes sowie massive Wehenschmerzen. Das Gefühl des Kontrollverlustes wurde vor allem in langwierigen, zeitlich unüberschaubaren Geburtsvorgängen beschrieben sowie Notkaiserschnitten und dem Eindruck, dass eigene Wünsche nicht ernst genommen würden.

Hilfreich erlebt wurde ein verlässlicher Kontakt zu mindestens einer Person, Kenntnis über die bevorstehenden Abläufe, die Berücksichtigung von eigenen Wünschen sowie ein ruhiges Klima im Behandlungsteam.

Mit der strukturierten Erfassung des Geburtserlebens kann die geburtshilfliche Betreuung von Müttern optimiert werden. Aus unserer Analyse werden Ansätze für systematische Veränderungen im Betreuungsprozess unter der Geburt wie die Benennung einer zentralen Bezugsperson, Optimierung der Schmerztherapie oder Fortbildungen zur Emotionsregulation im Behandlungsteam für unsere Klinik abgeleitet.

Kann man Bindung lernen? Neurofeedbacktraining bei Müttern mit postpartaler Bindungsstörung
Krauch M1, Eckstein M1, Zietlow A-L2, Ditzen B1
1 Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Heidelberg
2 Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden

Mütter mit postpartaler Bindungsstörung berichten, dass sie sich an ihrem Baby weniger freuen können und den Kontakt mit dem Neugeborenen als weniger belohnend erleben als gesunde Mütter. Die Risikofaktoren für eine Bindungsstörung und die zugrunde liegenden Mechanismen sind bisher noch weitestgehend unklar und könnten mit einer Hypoaktivierung des neuronalen Belohnungssystems zusammenhängen.

In unserer aktuellen Studie nahmen N=36 Mütter mit postpartaler Bindungsstörung 3-4 Monate nach der Geburt an einem Neurofeedbacktraining teil. Während drei Trainingssessions lernten sie, bewusst die Aktivität des neuronalen Belohnungssystems (oder einer Kontrollregion – klinische Kontrollgruppe) zu erhöhen, während ihnen Bilder ihres Kindes präsentiert wurden.

Die Ergebnisse deuten auf eine Verbesserung der mütterlichen Bindungsqualität nach der Neurofeedback Intervention hin. Außerdem weisen die Ergebnisse aus Fragebogendaten der Studie auf den Geburtsmodus als möglichen Risikofaktor für die Entwicklung einer Bindungsstörung bei Müttern hin.

Die Ergebnisse werden hinsichtlich ihrer Implikationen für innovative therapeutische Interventionen und für mögliche Präventionsstrategien diskutiert. Da die postpartale Bindungsstörung sowohl eine Belastung für die betroffenen Mütter als auch ein Risiko für die langfristige Entwicklung des Kindes darstellt, ist das Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen der Störung und die Entwicklung von Präventions- und Interventionsstrategien von hoher klinischer Relevanz.

Sitzung Kurzvorträge 3
Vorsitz: Andrea Hocke, Bonn; Julka Weblus, Berlin

Kinderwunsch: Wer will Zwillinge? Motive und Risikobewertung
Gillian Kugler, Heidelberg

Shared decision making: Beratungskonzept zur Geburtsmodusplanung bei fetaler Beckenendlage – Stärkung der Selbstbestimmung und des Geburtserlebnisses
Anna-Elisabeth Ebeling, Hannover

Wahrnehmung von Gewalt unter Geburt
Lisa Hoffmann, Bonn

Präpartaler Zugang zu Frauen mit psychosozialen Belastungen in der Klinik für Geburtsmedizin Jena
Liane Menke, Jena

Systematische strukturierte Erfassung des subjektiven maternalen Geburtserlebnis in der klinischen Routine
Yvonne Heinemann, Jena

Peripartales Management bei Frauen mit Posttraumatischer Belastungsstörung
Kathrin Degen, Kreuzlingen

Ärztliche Gesprächsführung und psychologische Beratung bei Endometriose
Tewes Wischmann, Heidelberg

Geburten aus Sicht von Frauen, Hebammen und Ärztinnen: Die Erkennbarkeit der traumatischen Geburtserfahrung
Sarah Märthesheimer, Düsseldorf

Die Belastung von Eltern Frühgeborener in den ersten Wochen nach der Geburt auf der Neonatologischen Intensivstation
Nadine Scholten, Köln

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Kinderwunsch: Wer will Zwillinge? Motive und Risikobewertung
Kugler G1, Wischmann T1, Germeyer A2, Holschbach V2, Ditzen B1
1 Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Heidelberg
2 Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen, Universitäts-Frauenklinik Heidelberg

Einleitung Etwa 16% aller Geburten nach assistierter Reproduktion (ART) in Deutschland sind Mehrlingsgeburten. Mit diesen sind eine Reihe von Risiken für die Schwangere und die (zukünftigen) Kinder verknüpft, welche potentiell traumatisierend wirken können. Ziel der Arbeit ist es, die Einstellungen zu Einlings- vs. Mehrlingsschwangerschaften und die Motive zur Inanspruchnahme von Single- vs. Double Embryotransfer (SET/DET) bei Paaren in ART deskriptiv zu erfassen.

Methodik Die Datenerhebung in Form einer prospektiven quantitativen Querschnittsstudie erfolgte an 103 Paaren (und 7 einzelnen Frauen) der Kinderwunschambulanz der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg. Eingeschlossen wurden alle volljährigen Paare, die der Teilnahme schriftlich zugestimmt haben und über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Die Altersobergrenze bei Frauen lag bei 45 Jahren. Eine Teilnahme als Einzelperson war ebenfalls möglich. Die Daten wurden mittels anonymer Fragebögen erfasst und unter Verwendung von SPSS ausgewertet.

Vorläufige Ergebnisse 46,0% der Personen gaben an, sich beim nächsten Versuch, unabhängig ob Erst- oder Folgeversuch, einen DET zu wünschen. Als häufigster Grund wurde mit 77,8% die Erhöhung der Chance auf eine Schwangerschaft genannt. 64,8% der Personen gaben an stark bis extrem stark von ihrem unerwünschten Kinderwunsch belastet zu sein. Eine signifikante Korrelation mit der Entscheidung für einen DET zeigte sich hierbei allerdings nicht. Des Weiteren korrelieren Risikobereitschaft und die Entscheidung für einen DET signifikant (p<0,001), jedoch nicht zwischen dem Alter und der Inanspruchnahme des DET.

Schlussfolgerung Die vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Präferenz des DET hauptsächlich mit dem Ziel einer erhöhten Schwangerschaftswahrscheinlichkeit einhergeht. Interessanterweise korreliert diese Präferenz signifikant mit der individuellen Risikobereitschaft, jedoch nicht mit dem Alter der Frauen.

Shared decision making: Beratungskonzept zur Geburtsmodusplanung bei fetaler Beckenendlage – Stärkung der Selbstbestimmung und des Geburtserlebnisses
Ebeling A E, Holthausen-Markou S, von Kaisenberg C, Hillemanns P, Brodowski L
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medizinische Hochschule Hannover

Etwa 3% aller Feten liegen am Termin in Beckenendlage, wobei der günstigste Geburtsmodus kontrovers diskutiert wird. Hauptziel der Beratung durch Ärzte und Hebammen hierbei soll die Stärkung von Selbstbestimmung der Schwangeren und empathische Unterstützung bei ihrer Wahl des Geburtsmodus unter Berücksichtigung medizinischer (Kontra-)Indikationen sein.

Zwischen 08/2021 und 12/2022 wurden an der Medizinischen Hochschule Hannover klinische Parameter von Einlingsschwangerschaften in Beckenendlage erhoben. Bei erstmaliger Beratung zwischen der 34. und 37. Schwangerschaftswoche wurden nach Untersuchung die verschiedenen Entbindungsmodi vorgestellt. Zudem wurde eine MRT-Pelvimetrie angeboten, nach deren Durchführung die Geburtsmodusplanung erfolgte. Retrospektiv wurde das Geburtserleben mittels eines Fragebogens evaluiert.

Während sich vor Vorstellung die Hälfte der Frauen noch nicht auf eine Entbindungsart festgelegt hatte, konnten sich nach ausführlichem Gespräch 80% davon für eine vaginale Geburt auf Grundlage der MRT entscheiden. 40% des Gesamtkollektivs gaben an, ihre Entscheidung mit Hilfe des Ergebnisses der Pelvimetrie getroffen zu haben. Insgesamt hatte die Studienpopulation ein sehr positives Geburtserlebnis. Die Befragten, die per Sectio entbunden hatten, zeigten das negativste Geburtserleben auf. Fetale und maternale Ergebnisse beider Gruppen unterschieden sich nicht.

Ein gemeinsamer Entscheidungsprozess zur Geburtsmodusplanung erhöht die Selbstbestimmung und Zufriedenheit der Schwangeren. Zusatzdiagnostik wie die MRT kann als Prädiktor für eine erfolgreiche vaginale Beckenendlage eingesetzt werden. Wir nehmen an, dass es aufgrund des „shared decision making“ zu einer Prävention psychischer Folgestörungen kommt, wie sie nach fremdbestimmten und traumatisch erlebten Entbindungen häufig sind. Im Falle einer Spontangeburt kommt es demnach zu verbessertem Körpererleben und schnellerer Regeneration, womit unkompliziertere Fürsorge und Bindung zum Kind gelingen

Wahrnehmung von Gewalt unter Geburt
Hoffmann L1, Berner E1, Imhoff R2
1 Sozial- und Rechtspsychologie, Institut für Psychologie, Universität Bonn,
2 Sozial- und Rechtspsychologie, Institut für Psychologie, Universität Mainz,

Einleitung. In den letzten Jahren wurden in den Medien vermehrt Fälle von geburtshilflicher Gewalt geschildert. Weltweit stark schwankende, aber tendenziell hohe Prävalenzen (z.B. 17% in den USA) machen dabei deutlich, dass es sich wohlmöglich nicht um anekdotische Einzelfälle handelt. Systematische Forschung zu dem Thema ist jedoch rar. Psychologische Studien zur sexuellen Gewalt legen nahe, dass die Wahrnehmung von sexueller Gewalt nicht ausschließlich von objektiven Kriterien, sondern auch von psychologischen Faktoren abhängt. Aufbauend auf dieser Forschung haben wir ein ähnliches Phänomen im Kontext der geburtshilflichen Gewalt untersucht.

Methode. In zwei Studien (Studie 1: N = 298; Studie 2: N = 542) explorierten wir psychologische Faktoren, die mit der Tendenz eigene Geburtserfahrungen als gewalttätig oder nicht gewalttätig einzustufen einhergehen sowie Faktoren, die mit dem Wohlbefinden nach der Geburt zusammenhängen.

Ergebnisse. Die Ergebnisse deuten darauf hin, (1) dass die Einstufung als Gewalt u.a. von der Form der Gewaltkriterien (physisch vs. psychisch) und vom Alter des Kindes abhängt, (2) dass eine stärkere Legitimierung von Gewalt mit einer verminderten Interpretation von Gewalt als solcher einhergeht und (3) dass bei einer stärkeren Legitimation von geburtshilflicher Gewalt das psychische Wohlbefinden nach dem Erleben von Gewalt höher ist als bei Frauen mit geringerer Legitimationstendenz.

Schlussfolgerung. Die beiden Studien liefern wichtige, quantitative Daten für dieses noch unterrepräsentierte Thema. Sie tragen zu einem besseren Verständnis für die Wahrnehmung von Gewalt unter Geburt bei und verdeutlichen, dass die Berücksichtigung psychologischer Aspekte von hoher Wichtigkeit ist.

Präpartaler Zugang zu Frauen mit psychosozialen Belastungen in der Klinik für Geburtsmedizin Jena
Menke L, Schleußner E
Klinik für Geburtsmedizin, Universitätsklinikum Jena

Die Früherkennung von familiären Belastungsfaktoren und die Vermittlung in das System der Frühen Hilfen stellen einen wirksamen Schutz von Kindern vor Vernachlässigung und Gefährdung dar. Im Projekt Familienlotsen wurde für Jena und das Umland ein Zugang zu psychosozial belasteten Eltern mittels Screeningbogen zur Erfassung bestehender präpartaler Risikofaktoren entwickelt . Niedrigschwelligkeit, Freiwilligkeit und Kostenfreiheit sind dabei zentrale Prinzipien des Projektes.

Um dem Hilfebedarf zu begegnen, findet ein Clearing mittels Fragebogen in der Geburtsplanungssprechstunde mit anschließendem Linking statt. Es folgt eine klinikinterne Vermittlung innerhalb des psychosozialen Versorgungssystems .Zum wichtigen klinikexternen Netzwerk zählen in erster Linie die Angebote der Frühen Hilfen.

Bis zum 31.12.23 wurden 614 Schwangere per Screening erfasst, 165 Frauen und damit 25,4 %, wurden durch das Projekt aktiv unterstützt. Erfragter Hilfebedarf:

  • Psychische Problem und psychische Erkrankungen: 60,1 %
  • Konsum und Rauchen: 21,1 %
  • Körperliche und / oder sexuelle Gewalterfahrungen: 12,1 %
  • Drohende Erkrankung/Behinderung des Kindes: 8,9 %
  • Traumatisches Geburtserleben: 6, 5 %

Klinikintern werden relevante Unterstützungsbedarfe präpartal in der klinikinternen Dokumentation erfasst, was eine höhere Informiertheit über die Risiken zur Geburt für das Personal bedeutet und eine gezielte Hilfe und ein präventives Handeln ermöglicht.

Fazit: Das Projekt „Familienlotse“ unterstützt werdende Eltern, bei einer frühzeitigeren und stabileren Inanspruchnahme Früher Hilfen. Familien mit besonderen Bedarfen werden so früher in ein unterstützendes Hilfesystem vermittelt und der Einsatz intensiverer Hilfen zur Erziehung kann so verringert werden.

Systematische strukturierte Erfassung des subjektiven maternalen Geburtserlebnis in der klinischen Routine
Heimann Y, Morach J, Schleicher M, Schleußner E, Weschenfelder F
Klinik für Geburtsmedizin, Universitätsklinikum Jena

Ein schlechtes Geburtserlebnis kann zu einer postpartalen posttraumatischen Belastungsstörungen (pPTSD) führen sowie Bonding und die Neugeborenenentwicklung negativ beeinflussen (Garthus-Niegel et al. 2016). Eine frühzeitige Erkennung potentiell gefährdeter Frauen und klinischer Prädiktoren für ein schlechtes Geburtserlebnis ermöglicht eine präventive individualisierte psychologische Betreuung.

Seit 10/2022 werden im Rahmen der ärztlichen Abschlussgespräche in der Klinik für Geburtsmedizin Jena Mütter gebeten anhand einer 5-Punkte-Likert-Skala ihr Geburtserlebnis zu bewerten: positiv/neutral (1–3) und negativ (4–5). Binärlogistische Modelle zur Ermittlung von Odds Ratios (OR) für anamnestische, schwangerschaftsbedingte und peripartale Parameter sowie Korrelationsanalyse zwischen Punktzahl und geburtshilflichen Daten mittels Spearmans ρ wurden durchgeführt.

Von 10/2022–12/2023 wurden 1.205 Frauen befragt, die im Median das Geburtserlebnis mit gut (= 2) bewerteten (IQR 1–3). 122 (10,1 %) Mütter gaben ein schlechtes oder sehr schlechtes (= 4 oder 5) Geburtserlebnis an. 25 (20,5 %) Frauen nahmen das Angebot einer psychologischen Nachsorge wahr. Ein signifikanter Einfluss eines abnormen pränatalen Screenings (OR 3,5; 95% KI 1,19–9,79), der sekundären Sectio (OR 2,79; KI 1,13–6,74), intra- (OR 6,76; KI 1,31–41,16) und postpartaler Blutungen (OR 0,15; KI 0,02–0,85) auf ein negatives Geburtserlebnis wurde nachgewiesen. Zusätzlich zeigte sich eine negative Korrelation zur Parität (ρ -0,2) und eine positive Korrelation zur Dauer der Eröffnungs- (ρ 0,14) und Austreibungsperiode (ρ 0,22) (alle p < 0,01).

Eine strukturierte Routineabfrage des Geburtserlebens ist im klinischen Alltag umsetzbar und belegt das 9 von 10 Wöchnerinnen mit ihrem Geburtserlebnis mindestens zufrieden sind. Dabei können prä- und intrapartale Einflüsse und klinische Prädiktoren für eine mögliche spätere pPTSD identifiziert werden, für die eine präventive psychologischen Nachsorge frühzeitig sinnvoll ist.

Peripartales Management bei Frauen mit Posttraumatischer Belastungsstörung
Degen K, Mutschler D
Psychiatrische Dienste Thurgau, Kreuzlingen, Schweiz

Eine Posttraumatische Belastungsstörung stellt einen Risikofaktor für die peripartale psychische Gesundheit, insbesondere für die Entstehung einer peripartalen PTBS dar. Es wird am Beispiel der Spital Thurgau AG aufgezeigt, wie die Zusammenarbeit von Psychiatrie und Gynäkologie/Geburtshilfe dazu genutzt werden kann, die Gefahr einer Re-Aktivierung, bzw. Re-Traumatisierung unter Geburt zu minimieren. Es wird dargestellt, welche psychiatrisch-psychotherapeutischen Interventionen bereits präpartal eingesetzt und wie Geburt und Wochenbett traumasensibel vorbereitet werden können. Es soll aufgezeigt werden, welche Bedeutung der interdiziplinären Zusammenarbeit dabei zukommt.

Ärztliche Gesprächsführung und psychologische Beratung bei Endometriose
Wischmann T, Ditzen B
Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Heidelberg

In der Praxis der niedergelassenen Frauenärztinnen und Frauenärzte in Deutschland bekommt die Erkrankung Endometriose einen größeren Stellenwert, es fehlt aber noch an „Werkzeugen“ zur Gesprächsführung und psychologischen Beratung bei Endometriose. In diesem Vortrag werden konkrete Hinweise für die ärztliche Beratung und Fragenbeispiele dazu sowie praxisnahe Tipps mit Formulierungsbeispielen für Betroffene von Endometriose (und deren Partner*innen) gegeben.

Die Grundpfeiler der Gesprächsführung bei dieser Erkrankung sind Validierung, Normalisierung und Entpathologisierung sowie Externalisierung. Validierung bedeutet hier zuerst, der Betroffenen die Intensität ihrer Schmerzwahrnehmungen zu bestätigen und diese nicht zu bagatellisieren bzw. gar als Simulation zu entwerten. Mittels Normalisierung und Entpathologisierung können die Symptome der Erkrankung eingeordnet werden in das gesamte Krankheitsbild, relativiert an den Berichten anderer von Endometriose Betroffener. Externalisierung kann hier heißen, über die innere Distanzierung eine neue Betrachtungsweise dieser Erkrankung zu erlangen und darüber mögliche eigene Ressourcen zu aktivieren. In diesem Zusammenhang hat das auch Konzept „posttraumatisches Wachstum“ seinen Platz. Es ist hilfreich in der Gesprächsführung zu vermitteln, dass die Entstehung von Endometriose wohl meist nicht auf frühere Traumatisierungen zurückzuführen ist. In der Bewältigung dieser Erkrankung macht das Konzept des posttraumatischen Wachstums hingegen sehr viel Sinn. Zentrale Elemente einer förderlichen Haltung bei Endometriose sind, Achtsamkeit und Selbstfürsorge, radikale Akzeptanz, Abgrenzung und Authentizität sowie, Selbstwirksamkeit.

Eine patientinnenorientierte ärztliche Beratung bei Endometriose kann auch von psychologischen Konzepten profitieren, die im Zusammenhang mit anderen chronischen Erkrankungen sowie Traumatisierungen entwickelt wurden, und die auch in der Gesprächsführung bei Endometriose gut anwendbar sind.

Geburten aus Sicht von Frauen, Hebammen und Ärztinnen: Die Erkennbarkeit der traumatischen Geburtserfahrung
Märthesheimer S1, Bergmann R1, Hagenbeck C2, Fehm T2, Schaal N K1
1 Institut für Experimentelle Psychologie, Heinrich Heine Universität Düsseldorf
2 Frauenklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf

Das Spektrum der Geburtserfahrung reicht von maximal positiven, euphorischen Eindrücken bis hin zu traumatisch belastenden Erinnerungen. Häufig kommt den professionellen Geburtsbegleitern dabei eine entscheidende Rolle zu (1). Ob die Hebammen und ärztlichen GeburtshelferInnen die subjektive Geburtserfahrung und das Vorliegen einer traumatisch erlebten Geburt korrekt einschätzen können, ist die Fragestellung der vorliegenden Arbeit.

Die Geburtserfahrung von 478 Erstgebärenden wurde zu drei Zeitpunkten (2 Tage, 6 Wochen und 6 Monate postpartal) mit dem Childbirth Experience Questionnaire (4 Subskalen und Gesamtwert) sowie mit der Impact of Event Scale für posttraumatische Belastungssymptome infolge einer Geburt erfasst. Parallel beurteilten die geburtsbegleitenden Hebammen und GynäkologInnen die Geburt, indem sie das subjektive Geburtserleben aus Sicht der Frau auf einem analogen Kurzfragebogen auf visuellen Analogskalen eingeschätzten.

Die globale Geburtserfahrung der Frau und das eingeschätzte Geburtserleben korrelieren schwach bis mittelgradig positiv miteinander (.27 < r < .31, p< .001, je nach Messzeitpunkt). Bei den Subskalen fällt der Zusammenhang zwischen Frauenurteil und Personal schwach positiv aus (.10 < r < .28, p< .001). Während je nach Messzeitpunkt 9 – 20% aller Frauen unter posttraumatischen Belastungssymptomen leiden, werden davon nur 3 -17% korrekt als „traumatisiert“ durch Hebammen und ÄrztInnen eingeschätzt.

Die Einschätzung der globalen Geburtszufriedenheit wird von den GeburtsbegleiterInnen tendenziell richtig getroffen, wobei die Einschätzung der einzelnen Subdimensionen schwächer mit den tatsächlichen Geburtserfahrungen zusammenhängen. Besonders die Beurteilung einer traumatischen Geburtserfahrung ist nur unzureichend möglich. Für die Identifikation hochbelasteter Frauen und zur professionellen Handlungsreflexion reicht die Geburtsbegleitung allein ohne weitere Nachbesprechung nicht aus.

(1) Macpherson et al., Midwifery, 41 (2016) 68–78.

Die Belastung von Eltern Frühgeborener in den ersten Wochen nach der Geburt auf der Neonatologischen Intensivstation
Scholten N1, Mause L1, Dresbach T2
1 IMVR, Uniklinik Köln
2 Neonatologie, Universitätsklinikum Bonn

Einleitung: Kommt ein Kind mit einem Geburtsgewicht von unter 1500 Gramm (vlbw) zur Welt, so geht dies mit besonderen psychosozialen Belastungen für die Eltern einher. Diese Belastungen und deren Auswirkungen auf die psychische Gesundheit kann durch Mütter und Väter bzw. unterschiedlich empfunden werden. Ziel der hier durchgeführten Analysen war es mehr über das Auftreten postpartaler Depressionen nach Geburt eines Kindes mit einem vlbw im zeitlichen Verlauf des Aufenthaltes auf der neonatologischen Intensivstation (NICU) aus Sicht der Mütter bzw. Väter zu erfahren.

Methode: Ausgewertet wurden Befragungsdaten (n = 229 Mütter und 211 Väter/Partner*innen) aus dem Neo-CamCare Projekt (FKZ: 01VSF18037) zur Evaluation des Einsatzes von Webcams auf der NICU. Hierbei erfasst wurde die EPDS zu 4 Zeitpunkten, jeweils im Abstand von 2 Wochen.

Ergebnisse: Zum ersten Befragungszeitpunkt liegt der EPDS Score der Mütter bei durchschnittlich 11,98 (SD 5,69) und bei Vätern bei 8,45 (SD 5,86) und sinkt hin zu 9,05 (SD 5,55) bei Müttern und 5,54 (SD 4,70) bei Vätern zu T4. Zu T1 weisen 49,01 % der Mütter eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Depression auf (EPDS Score über 13). Zu T4 sind dies noch 31.94 % der Mütter. Im multivariaten Modell, getrennt nach Müttern und Vätern berechnet zeigt sich neben dem signifikanten zeitlichen Effekt auch ein signifikanter Effekt für das Gestationsalter des Kindes (Varianzaufklärung Mütter: 8%; Väter 13%)). Die Hinzunahme der „negativen Emotionalität“ erhöht die Varianzaufklärung auf über 23 % bei Müttern und über 24% bei Vätern. Zum Zeitpunkt T1 sind die Varianzaufklärung und der Effekt der Gestationswoche für Väter deutlich höher als für die Mütter.

Diskussion: Das Risiko für postpartale Depressionen ist für Mütter, wie auch für Väter in Folge einer Frühgeburt deutlich erhöht. In der Literatur als Risikofaktoren hierfür angegeben werden unter anderem klinische Faktoren, wie das Gestationsalter, was sich auch in unseren Daten zeigt.

Sitzung Kurzvorträge 4
Vorsitz: Carsten Braun, Gelsenkirchen; Sophia Holthausen-Markou, Hannover

Auftreten psychischer Erkrankungen bei Patientinnen mit Mammakarzinom
Alexandra von Au, Heidelberg

Wie gelingt Kommunikation über Körpererleben und Sexualität in der gynäkologischen Onkologie und wie wirkt sie?
Sophia Holthausen-Markou, Hannover

Das Erleben von Gewalt unter der Geburt – Einflussfaktoren und Handlungsmöglichkeiten
Mi-Ran Okumu, Köln

Das Zusammenspiel von präpartaler Selbstwirksamkeit, Depressivität und Ängsten und der Zusammenhang zu einem traumatisch erlebten Geburtserlebnis
Romina Bergmann, Düsseldorf

Wiederholte Spontanaborte – eine vergleichende Exploration der Perspektiven weiblicher und männlicher Betroffener
Nina Coenen, Leipzig

Perinatal PTSD and the mother-infant bond: a systematic review and meta-analysis
Franciska Rehberg, Hamburg

Statusbericht der interprofessionellen Ausbildungsstation auf der Wöchnerinnen-Station (W-IPSTA) am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Franziska Roller, Bonn

Traumafokussierte Beratungen als sinnvolle Unterstützung und Ergänzung in der Versorgung von prä- und perinatalen Traumata
Kim Jennifer Kolb, Freising

Wie schlafen Primiparae?
Mareike Mees, Bonn

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Auftreten psychischer Erkrankungen bei Patientinnen mit Mammakarzinom
von Au A1, Gutsfeld R2, Dannehl D2, Hawighorst-Knapstein S3, Wallwiener S4
1 Frauenklinik, Universitätsklinik Heidelberg
2 Department für Frauengesundheit, Universitätsklinik Tübingen
3 AOK Baden-Württemberg, Stuttgart
4 Frauenklinik, Universitätsklinik Halle

Einleitung: Durch stetige Optimierung der Brustkrebs (BC)-Therapie und der damit einhergehenden Verbesserung des Überlebens ist ein zunehmend relevanter Therapieaspekt die Verbesserung der Lebensqualität. Dabei bergen sowohl die Krebsdiagnose selbst als auch die Therapie mit ihren potentiellen Nebenwirkungen ein Risiko für das psychische Wohlbefinden. Die Prävalenz für psychische Erkrankungen bei Krebspatienten allgemein schwankt jedoch sehr stark in der Literatur. Das Ziel dieser Studie war die Inzidenz von psychischen (Neu-)Erkrankungen bei BC-Patientinnen im Vergleich zur Normalbevölkerung zu analysieren.

Methoden: Bei dieser Studie handelt es sich um eine retrospektive Analyse von Krankenkassendaten der AOK Baden-Württemberg. Eingeschlossen wurden 11553 BC-Patientinnen, welche von Januar 2010 bis Dezember 2020 durch den ICD-Code „C50“ die BC-Diagnose erhalten haben, sowie 31944 alters-gematchte Kontrollpatientinnen. Ausschlusskriterium war eine psychische Erkrankung in den 4 Quartalen vor dem Indexzeitpunkt. Die psychischen Erkrankungen wurden ebenfalls anhand der ICD-Codes in 8 Formen unterteilt: Angst-, Zwangs-, Anpassungsstörung sowie Dissoziative/Hypochondrische/Affektive Störung, Manie, und „Andere Neurosen“.

Ergebnisse: Es zeigten sich mit 64,2% versus 38,1% signifikant mehr psychisch Erkrankte in der BC-Gruppe (p<0,01, Odds ratio (OR) 2,91). Insbesondere traten Erkrankungen aus dem Formenkreis der Neurotischen Störungen (Hypochondrische Störung, Angststörung und „Andere Neurosen“) sowie affektive Störungen und Anpassungsstörungen signifikant häufiger nach der Krebsdiagnose auf als in der Kontrollgruppe. Bezüglich Manie, Zwangsstörung und Dissoziativer Störung konnten keine Unterschiede zwischen den Gruppen gefunden werden.

Schlussfolgerung: Patientinnen mit BC leiden signifikant häufiger an einer psychischen Erkrankung – insbesondere Neurotische Störungen und Anpassungsstörungen treten gehäuft auf.

Wie gelingt Kommunikation über Körpererleben und Sexualität in der gynäkologischen Onkologie und wie wirkt sie?
Holthausen-Markou S
Frauenklinik, Medizinische Hochschule Hannover

Einleitung: Im Hinblick auf Wirksamkeit von Therapien und Lebenserwartung nach gynäkologischen Krebserkrankungen wurden große Erfolge erzielt. Ins ärztliche Bewusstsein ist zudem die Psychoonkologie gerückt.

Nicht selbstverständlich ist, Körpererleben und Sexualität als wesentliche Aspekte von Lebensqualität einzubeziehen in Behandlungen. Ein guter Umgang damit ist allerdings für viele Patientinnen und deren Partner ebenso bedeutsam für die Therapiemotivation, das Erleben von Zuversicht und Lebensfreude ist wie die Bewältigung von Ängsten vor Tumorprogress.

Methode: Für viele Patientinnen haben Operationen im gynäkologischen Bereich direkte Auswirkungen auf das Körper- und Identitätserleben. Aufgrund hormoneller Veränderungen bei Chemotherapie oder Entfernung der Eierstöcke sind Patientinnen zusätzlich in ihrer Libido eingeschränkt.

Im folgenden Kurzvortrag werde ich aus meinem reichen klinischen Alltag darstellen, wie gelungene Kommunikation, die das Erleben über den veränderten Körper, Sexualität und auch Phantasien darüber einbezieht, die Entwicklung von Lebensqualität und Resilienz steigert. Grundlage bilden die ressourcenorientierte psychodynamische Psychotherapie, Gynäkologie, Psychoonkologie und Sexualtherapie in Einzel-und Paargesprächen.

Ergebnisse: Voraussetzungen sind eine offene prozessorientierte therapeutische Haltung, die sexuelle Erlebnisfähigkeit als Qualität versteht, darüber hinaus, eine, die Schuld-und Schamgefühle entlastet. Wesentlich ist, zu ermutigen, über Befürchtungen zu sprechen und die Wiederaufnahme von Sexualität zu antizipieren. Dann können kreative Lösungen gedanklich entstehen, beginnend bereits prä-oder postoperativ.

Schlussfolgerung: Eine ressourcenorientierte, entlastende Kommunikation, die darüber hinaus ermutigt, neue Erfahrungen zu sammeln im Bereich des Körpererlebens und der Sexualität erhöht Lebensqualität und wirkt Resilienz- und Identität stärkend.

Das Erleben von Gewalt unter der Geburt – Einflussfaktoren und Handlungsmöglichkeiten
Okumu M R, Bach L, Oberröhrmann C, Volkert A, Scholten N
Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft, Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Universität zu Köln, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln

Einleitung: Geburtshilfliche Routinen und Eingriffe werden unterschiedlich erlebt. Aus medizinischer Sicht notwendige und/oder dringende Interventionen können als gewaltvoll oder nicht gewaltvoll erlebt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach Einflussfaktoren auf das (Nicht-) Erleben geburtshilflicher Gewalt aus Sicht von Gebärenden. Ziel ist es, ein tieferes Verständnis des Erlebensprozesses zu gewinnen. Darauf aufbauend sollen Handlungsmöglichkeiten für Versorgende abgeleitet werden, um die Wahrscheinlichkeit für (Re-)Traumatisierung Gebärender zu minimieren.

Methode: Die Datenerhebung- und Auswertung erfolgten im Sinne der Grounded Theory nach Strauss/Corbin. Insgesamt wurden 12 narrative Interviews mit Müttern geführt, die ihr/e Kind/er vor maximal zwölf Monaten im Krankenhaus geboren und dabei nach Definition von Jardim/Modena Gewalt erfahren haben.

Ergebnisse: Das (Nicht-)Erleben von Gewalt wird durch ursächliche (u. a. Komplikationen im Geburtsverlauf), kontextuelle (strukturelle Bedingungen, Persönlichkeitsmerkmale) sowie intervenierende Faktoren (u. a. Erwartungen) beeinflusst. Als entscheidend für die Bewertung einer Handlung/Intervention als (nicht) gewaltvoll zeigte sich die Ausprägung des Kohärenzgefühls (Anpassung des Kohärenzgefühls nach Antonovsky) der Gebärenden. Dieses bezieht sich auf die Verstehbarkeit (Nachvollziehbarkeit) und die Handhabbarkeit (Möglichkeiten der Bewältigung) einer Situation, Intervention oder Handlung.

Schlussfolgerung: In den Interviews zeigte sich, dass Versorgende durch ihre Interaktion mit den Gebärenden das Kohärenzgefühl stärken oder schwächen und somit die psychosoziale Gesundheit der Gebärenden sowohl kurz- als auch langfristig beeinflussen können. Dies lässt vermuten, dass eine aufmerksame Begleitung im Hinblick auf Verstehbarkeit und Handhabbarkeit einzelner Situationen, Interventionen und Handlungen unter der Geburt die Wahrscheinlichkeit für potenziell traumatische Erlebnisse minimieren kann.

Das Zusammenspiel von präpartaler Selbstwirksamkeit, Depressivität und Ängsten und der Zusammenhang zu einem traumatisch erlebten Geburtserlebnis
Bergmann R1, Märthesheimer S1, Hagenbeck C2, Balan P2, Fehm T2, Schaal N K1
1 Institut für experimentelle Psychologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
2 Frauenklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf

Etwa 24.000 Mütter entwickeln im Jahr eine PTBS durch eine traumatisch erlebte Geburt in Deutschland [1]. Prädispositionen, wie präpartale Depressivität oder Ängste, erhöhen die Vulnerabilität für traumatogene Stresssreaktionen [1]. Selbstwirksamkeit wird hingegen als protektiver Faktor angenommen [2]. Zudem ist das Zusammenspiel von Depressivität, Ängsten und Selbstwirksamkeit in der Schwangerschaft noch nicht hinreichend untersucht [2].

Die prospektive Längsschnittstudie erfasste bei 360 Primigravidae im letzten Trimenon Depressivität, Geburtsangst und Selbstwirksamkeit. Zudem wurde 2 Tage, 6 Wochen und 6 Monate postpartal die traumatisch erlebte Geburtserfahrung erhoben.

Präpartale Depressivität und Geburtsangst zeigten einen negativen Zusammenhang mit präpartaler Selbstwirksamkeit: Je ausgeprägter die präpartale Depressivität bzw. Geburtsangst, desto geringer war die präpartale Selbstwirksamkeit. Auch waren Schwangere mit erhöhter präpartaler Depressivität bzw. Geburtsangst vulnerabler für eine traumatisch erlebte Geburt: Je höher die präpartalen Werte, desto ausgeprägter die traumatogene Stressreaktion. Es ergab sich kein Zusammenhang zwischen präpartaler Selbstwirksamkeit und einer traumatisch erlebten Geburt.

Um traumatisch erlebte Geburten zu minimieren, sollte bereits präpartal systematisch ein Screening erfolgen, um vulnerable Frauen zu detektieren. Interventionen, die die Selbstwirksamkeit erhöhen, stellen symptomübergreifend eine Chance dar, die Resilienz Betroffener zu stärken.

  1. Ayers, S., Bond, R., Bertullies, S. & Wijma, K. (2016). The aetiology of post-traumatic stress following childbirth: a meta-analysis and theoretical framework. Psychological medicine, 46(6), 1121-1134. doi: 0.1017/S0033291715002706
  2. Schwartz, L., Toohill, J., Creedy, D. K., Baird, K., Gamble J., & Fenwick, J. (2015). Factors associated with childbirth self-efficacy in Australian childbearing women. BMC pregnancy and childbirth, 15(1), 1-9. doi: 10.1186/s12884-015-0465-8

Wiederholte Spontanaborte – eine vergleichende Exploration der Perspektiven weiblicher und männlicher Betroffener
Coenen N1, Glaesmer H2, Stepan H1, Jank A3
1 Abteilung für Geburtsmedizin + Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Leipzig
2 Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Leipzig
3 Praxis Frauenärzte im Westbad, Leipzig

Einleitung: Wiederholte Spontanaborte betreffen zwischen 1–5% der Paare im reproduktionsfähigen Alter. Diese Studie stellt eine geschlechtervergleichende Exploration des Erlebens von und des Umgangs mit WSA dar, wobei Aspekte wie Auswirkungen auf Beziehungen und Kinderwunsch sowie Wünsche an das soziale Umfeld, den Partner bzw. die Partnerin und die Betreuung mit einbezogen wurden.

Methoden: Die Studie schließt 117 Personen, davon 50 Paare und 17 Frauen ohne teilnehmenden Partner, ein. Untersucht wurde mittels eines Fragebogens mit qualitativen und quantitativen Elementen bestehend aus dem ScreenIVF (bestehend aus STAI, BDI II, ISI), fünf sozioanamnestischen Fragen nach Kahmann (2001), dem nach Bergner (2006) modifizierten Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung, der COMPI Fertility Problem Stress Scale (adaptiert für WSA) sowie offenen und geschlossenen Fragen zu Unterstützungsangeboten und –bedarf. Die Auswertung erfolgte über SPSS und mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring.

Ergebnisse: Psychische Belastung durch und die Auswirkungen von WSA bei Frauen waren insgesamt größer. Frauen und Männer zeigten eine ähnliche Verteilung auf die vier untersuchten Copingstile, Frauen nutzten alle vier Stile stärker. Zusammenhänge zwischen Copingverhalten und psychischer Belastung sowie Auswirkungen zeigten sich deutlicher zwischen Coping des Mannes mit Belastung und Auswirkungen der Frau als umgekehrt. Beide Geschlechter wünschten sich offene Kommunikation, Empathie und Verständnis. Unterstützungsangebote waren Frauen insgesamt wichtiger. Risiko- und Schutzfaktoren waren teilweise geschlechtsspezifisch.

Schlussfolgerung: Die Unterschiede in Wahrnehmung der WSA und im Umgang sowie die Interdependenz der Paare bergen Risiken und unterstreichen die Notwendigkeit, männliche Perspektiven miteinzubeziehen.

Perinatal PTSD and the mother-infant bond: a systematic review and meta-analysis
Rehberg F, Rihm L, Buechl V, Even M, Rihm L
Institute for Systems Medicine (ISM) and Faculty of Medicine; Epidemiologie und Frauen- & Familiengesundheit, MSH Medical School Hamburg

Background: Despite a growing body of literature, understanding of the relationship between maternal symptoms of perinatal posttraumatic stress disorder (PTSD) and the emerging mother-infant bond (MIB) remains limited. This systematic review and meta-analysis elucidates this association considering both general PTSD (gPTSD) symptoms (i.e., not originating from childbirth) as well as childbirth-related PTSD (CB-PTSD) symptoms.

Methods: A comprehensive literature search screening for articles published until 07/06/2023 was conducted. Data were processed according to Meta-analysis of Observational Studies in Epidemiology (MOOSE) guidelines. Pooled effect sizes were estimated with random effects models.

Results: The systematic review includes 19 studies (8722 participants) and indicates a positive association between perinatal PTSD symptoms and impaired MIB. However, the relationship might be explained by confounding factors (e.g., depressive symptoms, general psychological distress). Meta-analyses suggest a small to moderate positive association between postnatal gPTSD symptoms and impaired MIB (n = 7) and a moderate positive association between CB-PTSD symptoms and impaired MIB (n = 12). Additional exploratory meta-analyses indicate that within the CB-PTSD construct, general rather than childbirth-related PTSD symptoms are more strongly related to MIB (n = 4).

Limitations: Heterogeneity across studies, methodological complexities in distinguishing perinatal PTSD subtypes, and a small number of studies should be noted.

Conclusions: The results indicate differential associations between gPTSD versus CB-PTSD and MIB. However, further research is required to fully elucidate the relationship between maternal perinatal PTSD and MIB and the role of individual symptom domains to inform the targeted development of interventions.

Statusbericht der interprofessionellen Ausbildungsstation auf der Wöchnerinnen-Station (W-IPSTA) am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Roller F, Satow J, Klein A
Gynäkologische Psychosomatik und Psychoonkologie, Universitätsklinikum Bonn

Einleitung. 2022 erfolge am UKB die Implementierung der W-IPSTA, auf der PJ‘ler:innen, Hebammen-Studierende und Auszubildende zur Pflegefachkraft mittels praxisbasierter Lehre und Supervision durch Lernbegleitende eigenverantwortlich am Wöchnerinnenbett zusammen arbeiten und lernen. Das Ziel der W-IPSTA ist die Stärkung einer ganzheitlichen und somit besseren Versorgung der Wöchnerinnen und ihrer Säuglinge durch den Ausbau interprofessioneller Kompetenzen, durch Kommunikationstrainings und einer psychosomatischen Vertiefung.

Methode. Vor Beginn (t0) und nach Beendigung (t1) eines Durchganges beantworten die Teilnehmenden (bisher N=12) online einen Fragebogen und offene Fragen. Zur Erhebung der Entwicklung der interprofessionellen Zusammenarbeit wird die deutsche Version (Reuschenbach et al., manuscript in preparation) der Assessment of Interprofessional Team Collaboration Scale AITCS-II (© Carole Orchard) verwendet. Die Mittelwerte der beiden Messzeitpunkte werden mittels t-Test verglichen. Durch offene Fragen werden die Teilnehmen nach Teilnahmegründen (t0), nach antizipierten (t0) und erlebten (t1) Herausforderungen, nach ihrem Kompetenzerwerb (t1) sowie nach der Veränderung ihrer Rollenverständnisse (t1) befragt.

Ergebnisse. Die Zwischenergebnisse des AITCS-II weisen auf eine Zunahme der interprofessionellen Zusammenarbeit hin: Die durchschnittliche Antwort zu Messzeitpunkt t1(M=3.96, SD=0.37) fällt höher aus als zu Messzeitpunkt t0 (M=3.18, SD=0.54). Es ergibt sich eine hohe Signifikanz: t(8) = -4.81, p < 0.0015). Die Zwischenergebnisse der offenen Fragen weisen auf eine wahrgenommene Veränderung des eigenen Rollenverständnisses und des Rollenverständnisses der beteiligten Professionen sowie auf einen Kompetenzzuwachs im Bereich Kommunikationstechniken hin.

Schlussfolgerungen. Laut dem aktuellen Zwischenstand führt eine W-IPSTA-Teilnahme zu einem Zugewinn interprofessioneller Kompetenzen.

Traumafokussierte Beratungen als sinnvolle Unterstützung und Ergänzung in der Versorgung von prä- und perinatalen Traumata
Kolb K J
Beratungspraxis Sichtwechsel, Freising

Einleitung: Gesellschaftliche Wandlungen und die Covid-19 Pandemie haben zu einer nachhaltigen Aggravation der psychischen Gesundheit in Deutschland geführt. Traumatisierte Menschen warten jedoch zu lange auf einen Psychotherapieplatz . Gerade bei pränatalen und perinatalen Traumata ist dies prekär. Entscheidend ist, die Eltern frühzeitig psychisch zu stabilisieren, da aus dem ersten Lebensjahr resultierende Traumata negative Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Bindung sowie die psychisch gesunde Entwicklung der Kinder generieren .

Methode: a) Traumaberatung als niederschwelliges Angebot

In der Traumaberatung gilt es, Menschen nach prä- und perinatalen traumatischen Erlebnissen zu stabilisieren. Der Begriff „Beratung“ senkt die Schwelle, Hilfe zu suchen. Stabilisierungstechniken sowie Ressourcenaktivierung und Psychoedukation in der Beratung bieten schnell Lösungsansätze, stärken die Elternkompetenz. Der Einstieg in eine spätere Psychotherapie wird erleichtert.

  1. b) Traumaberatung als Filter

Zuweilen ist keine Psychotherapie nötig. Die natürliche menschliche Resilienz braucht in vielen Fällen lediglich einen „Anstoß“ zur (Re-)Aktivierung, insbesondere bei leichteren prä- und perinatalen Traumata.

  1. c) Traumaberatung in der Abgrenzung

Die verantwortungsbewusste Exploration beim nachfragenden Kunden ermöglicht die professionelle Abgrenzung und Einschätzung des Falles und führt zur Übernahme des Falles oder zur Überleitung an einen Psychotherapeuten.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Die Praxis in der Traumaberatung lässt erkennen:

-Traumata einer bestimmten Konsistenz sind durch Beratung wirksam zu bewältigen.

-Qualifizierte Beratung schafft im Einzelfall eine Brücke zur (medizinischen) Therapie und damit den Einstieg in die nachhaltige Auflösung.

-Die so gelösten Fälle entlasten das Psychotherapiesystem im Bereich der prä- und perinatalen Traumata.

Wie schlafen Primiparae?
Mees M1, Klein A1, Strizek B2
1 Psychosomatik, Universitätsklinik Bonn
2 Geburtshilfe und Perinatalmedizin, Universitätsklinik Bonn

Einleitung: Schlaf ist eine für fast alle Systeme des menschlichen Körpers lebensnotwendige Ressource. Die peripartale Zeit ist verknüpft mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für verminderten Schlaf. Lange wurde vermutet, dass Schlafentzug peripartal physiologisch ist und daher weniger schädlich. Dafür gibt jedoch keine wissenschaftliche Evidenz. Gut belegt ist ein erhöhtes Rezidivrisiko für psychisch vorerkrankte Wöchnerinnen mit peripartalem Schlafentzug. Ziel der Studie ist es, Veränderungen des Schlafes peripartal zu beschreiben und der Frage nachzugehen, inwiefern peripartaler Schlaf mit dem psychischen Befinden postpartal interagiert.

Methoden: Probandinnen wurden mittels Flyer und sozialer Netzwerke rekrutiert. Nach Prüfung der Ein- und Ausschlusskriterien konnten 27 Frauen in die Studie aufgenommen werden (N=27). Die Datenerhebung erfolgte prä-, peri- und postpartal mittels Onlinefragebögen. Der Schlaf wurde mittels Schlaftagebuch und Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI) erhoben. Das psychische Befinden wurde mittels Edinburgh Postpartal Depression Score (EPDS) erhoben.

Erste Ergebnisse: Die Frauen der vorliegenden Stichprobe kommen aus ganz Deutschland. Zum Zeitpunkt der Entbindung betrug das durchschnittliche Alter 33.1 Jahre (SD = 4.1 Jahre, min. 25 Jahre, max. 41 Jahre). 100 % (N=27) zeigten peripartal Schlaffragmentierung. 33.3 % (N=9) zeigten zusätzlich partiellen Schlafentzug (<7h, >7d). 11.1% (N=3) zeigten zusätzlich totalen Schlafentzug. 25.9 % (N=7) zeigten peripartal Schlaffragmentierung sowie partiellen und totalen Schlafentzug.

Schlussfolgerung: Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Mehrheit der Frauen dieser Studie von maßgeblichen Einschränkungen des Schlafes peripartal berichten. Bezogen auf die untersuchte Kohorte lässt sich die Forschungsfrage, ob Schlafentzug peripartal eine Rolle spielt, also eindeutig mit „ja“ beantworten.

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